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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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ich. Überzeugendes Wissen über das Leben einer Nonne in Dartford vorzutäuschen, würde nicht so einfach sein.
    »Mein Vater hatte das Gelöbnis abgelegt, nicht ich. Er hatte drei Töchter; ich war die zweite. Und einen Sohn. Nur einen Sohn. Meinen Bruder. Als ich vierzehn war, erkrankte mein Bruder am Fieber. Der Priester hielt seinen Tod für gewiss und versah ihn mit den Sterbesakramenten. Mein Vater gelobte, seine schönste Tochter dem Orden der heiligen Juliana zu überantworten, sollte Gott Caedwalla verschonen. Und Caedwalla überlebte die Krankheit.«
    Sein Lächeln erlosch. »Eitelkeit ist eine Sünde«, murmelte er stumpf. »Wir werden für unsere Sünden bestraft. Immer.«
    »Wart Ihr gern bei den Schwestern der heiligen Juliana?«, fragte ich.
    »Sie waren harte Frauen. Sie haben mich geschlagen, wenn ich bei der Erledigung meiner Aufgaben säumig war. Es gab dort mehr zu tun als auf dem Hof. Ich war immer müde. Wenn ich ausruhen wollte, befahlen sie mir zu beten. Ich musste ihnen die Gebete nachsprechen. Es waren so viele und alle musste ich lernen.«
    »Welches Gebetbuch habt Ihr benutzt?«, fragte ich.
    »Niemand konnte lesen. Die Nonnen sagten, wenn ich die Gebete aufsagte, die ich gelernt hatte, wenn ich ohne viel Schlaf und Nahrung alle Mühsal auf mich nähme, würde mir das helfen, die heilige Juliana zu begreifen. Im ersten Jahr begriff ich gar nichts, ich wusste nur, dass mir das Leben als Nonne verhasst war. Und eines Tages bin ich weggelaufen.«
    Es wurde schwieriger, an Orobas’ Worten zu zweifeln. Er ist schlau , dachte ich unsicher. Die Priester sagen immer, dass der Teufel schlau ist .
    »Warum seid Ihr hier begraben?«, fuhr ich fort. »So weit von Dartford entfernt. Wie seid Ihr nach London gekommen, nachdem Ihr weggelaufen wart?«
    »Mein Leben ist hier zu Ende gegangen«, sagte er.
    »Ihr seid aus dem Kloster geflohen und nach London gekommen?«
    Seine Schultern fielen noch weiter nach vorn. »Es war unrecht. Es war Sünde.«
    Ich fand das alles ungeheuer verwirrend.
    Er begann schneller zu sprechen. »Sie kamen mit dreihundert Schiffen. Die Nordmänner plünderten und brandschatzten Canterbury, dann griffen sie London an. Wer nicht aus London floh, wurde mit dem Schwert niedergemetzelt. Ich gehörte zu denen, die nicht flohen.«
    »War es Orobas, der Euch entdeckt hat?«, fragte Gertrude.
    Orobas antwortete nicht. Er sah todmüde aus, als wünschte er sich nichts mehr, als wieder einzuschlafen.
    »Wir fühlen uns geehrt, Eure Geschichte hören zu dürfen«, sagte Gertrude mit ihrer spröden Stimme. »Aber jetzt muss ich Euch bitten, den Blick in die Zukunft zu richten.«
    »Wenn es sein muss.« Der Ton war mürrisch.
    »In der vorletzten Nacht habt Ihr Lady Maria mit der Krone der Königin von England gesehen«, fuhr Gertrude fort. »Wird sie ihr mit der Hilfe fremder Soldaten aufs Haupt gesetzt werden? Werden die Streitkräfte des Kaisers einfallen?«
    Ich fasste Gertrude beim Arm. »Das ist Hochverrat«, flüsterte ich.
    »Wie sollte Maria sonst auf den Thron gelangen?«, flüsterte Gertrude zurück.
    »Ich sehe viele Schiffe«, sagte Orobas. »Sie segeln nach England.« Er kniff die Augen zusammen und runzelte die Stirn, als sei ihm etwas ungewiss.
    »Sind es spanische Schiffe?«, fragte Gertrude scharf.
    Orobas nickte.
    »Wann? Wann kommen sie? Das muss ich unbedingt wissen.«
    Wieder verdrehten sich seine Augen, und er schüttelte den Kopf, als sei er verwirrt. »Ich sehe Maria als Königin«, stieß er dann hervor. »Sie geht an der Seite eines Mannes im Kardinalsgewand. Und auch eines Bischofs. Priester, Nonnen und Mönche begleiten sie. Der wahre Glaube ist wiederhergestellt.«
    Gertrude warf sich in meine Arme. Ihre Tränen der Erleichterung benetzten meine Haut. Ich hätte froh sein müssen wie sie. Dies war die beste Zukunft, die man sich denken konnte. Doch irgendetwas stimmte nicht.
    Orobas stöhnte. Sein Körper zitterte. Schweiß stand auf seiner Stirn.
    »Ich sehe etwas anderes«, sagte er. »Der König hat einen zweiten Sohn bekommen. Heinrich VIII. wird sterben, Eduard wird sterben. Cromwell steht hinter dem Knaben, der jetzt König ist, er herrscht über das Land.« Er zitterte jetzt heftiger. »Lady Maria ist in einer Kerkerzelle; von allen verlassen. Cromwell und der Knabe werden im ganzen Land gefürchtet.«
    Gertrude schlug die Hände vors Gesicht. »Nein, nein, nein«, klagte sie.
    »Wie kann es eine zweite Zukunft geben?«, fragte ich.
    Zum ersten Mal

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