Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
Er hatte sich höchster Gefahr ausgesetzt, indem er hierhergekommen war. Um sein Leben hatte ich während der Auseinandersetzung der beiden Männer gebangt. Eben noch hatte ich ihn voll Leidenschaft geküsst. Doch jetzt brachte ich es nicht über mich, ihm ins Gesicht zu blicken.
»Wir müssen unverzüglich Arthur holen«, sagte ich und eilte ihm schon durch den Korridor voraus.
Wir hatten keine zwanzig Schritte zurückgelegt, als wir Männerstimmen vernahmen. Ich erkannte die von Charles, tief und voll, und hielt an, den Arm ausgestreckt, um Geoffrey zurückzuhalten.
»Keine Angst«, flüsterte er. »Ich bin heute Abend schon an anderen Dienstleuten der Courtenays vorbeigekommen, und keiner hat mich aufgehalten. Hier sind so viele Leute beschäftigt. Sie brauchen nur die Livree zu sehen, das reicht schon.«
»Aber Charles ist der Haushofmeister«, entgegnete ich. »Und er war mit den Courtenays in Dartford – er wird Euch dort gesehen haben.«
Geoffrey blieb mit einem Fluch stehen. Dann zog er mich mit sich in unser Versteck zurück.
Die Stimmen draußen wurden nicht lauter und nicht leiser. Die Männer waren wohl stehen geblieben, um einen Schwatz zu halten. Vorsichtig stahl ich mich aus dem Alkoven und spähte um die Ecke. Ja, dort standen sie, am Ende des Korridors, und schwatzten miteinander. Es gab keine Möglichkeit, ungesehen an ihnen vorbeizukommen.
Ich flüsterte: »Warum habt Ihr das getan, Euch in die Courtenay-Tracht gekleidet? Warum habt Ihr mir nicht einfach eine Botschaft gesandt?«
»Das habe ich versucht«, antwortete Geoffrey, »und wurde von zwei Männern angegriffen, Zwillingsbrüdern, glaube ich. Der eine sagte, er müsse das Schreiben öffnen und lesen, und als ich ihm das verwehrte, hatte ich teuflische Mühe, es ihm wieder abzunehmen und zu entkommen. Dieses Haus ist die reinste Festung.«
»Wie seid Ihr dann dazu gekommen?« Ich zupfte an seiner Jacke.
Geoffrey schnitt eine Grimasse. »Fragt lieber nicht.«
Im Korridor hörte ich Charles lachen. Wie lange wollten sie noch dort herumstehen?
»Ihr habt schon Wochen vor diesen Haftbefehlen gewusst, dass der Aufenthalt hier für mich gefährlich sein würde – woher?«, fragte ich.
»Der Marquis von Exeter ist ein Verwandter des Königs, und der König misstraut allen, die ihm den Thron streitig machen könnten, ganz gleich, ob sie zur Familie gehören oder ihm bedingungslose Treue geschworen haben«, antwortete Geoffrey. »Es ist bekannt, dass die Courtenays sich in einer heiklen Situation befinden.«
Nur mir war es nicht bekannt gewesen. Aus Abscheu hatte ich von den Vorgängen am königlichen Hof nichts wissen wollen, und nun hatte meine gewollte Blindheit mich – und Geoffrey – hierher geführt.
Dann hörte ich es. Die Schläge ans Portal waren so laut, dass ich vor Schreck aufschrie. Geoffrey drückte mir eine Hand auf den Mund.
Charles rannte am Alkoven vorüber die Treppe hinunter.
»Es ist zu spät«, flüsterte ich.
»Nein«, widersprach Geoffrey entschlossen. »Alle werden jetzt unten beschäftigt sein. Wir können Arthur holen, sobald der Gang frei ist. Aber wir werden vielleicht auf der Flussseite aus dem Fenster klettern müssen.« Sein Blick flog über mein Kleid. »Ihr braucht einen Umhang, um das Kleid zu verbergen.«
Unten sperrte Charles das Portal auf.
»Im Namen seiner Majestät des Königs, lasst uns ein«, forderte ein Mann mit schallender Stimme. »Wir sind gekommen, um mehrere Personen zu verhaften, die sich in diesem Haus aufhalten.«
Charles stammelte, dass er den Marquis von Exeter benachrichtigen werde, und eilte davon.
Geoffrey zog mich tiefer in den fensterlosen Alkoven, wo wir allen Blicken von der Treppe aus entzogen waren. Aber es gab keine Tür und keinen Riegel. Wenn es jemandem einfallen sollte, unser Versteck zu betreten, würden wir augenblicklich entdeckt werden.
Draußen hörten wir jetzt Männerstimmen. Ich erkannte sie sofort. Henry Courtenay war zusammen mit Lord Montague an die Tür getreten.
»Ich werde mir diese Haftbefehle ansehen, bevor irgendetwas geschieht«, sagte Henry. Seine Stimme klang ruhig. Montague musste genug Zeit geblieben sein, um alle vorzubereiten. Während unten Papiere raschelten, dachte ich daran, welch ein schrecklicher Schlag Henrys Verhaftung für Gertrude und Edward, für alle in diesem Haus sein würde. Ich betete darum, dass ihm ein gerechtes Verfahren zuteilwerden würde. Wie konnte es Beweise gegen ihn geben? Er hatte sich nicht an
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