Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
unverzüglich aus diesem Haus«, sagte ich.
Er wollte mich zurückziehen, doch ich war schneller. Ich wich ihm aus und trat aus dem schützenden Dunkel des Alkovens.
Beinahe überwältigten mich der blendende Glanz des Kerzenlichts und der Anblick einer Schar von Männern am Fuß der Treppe, die mir fast alle fremd waren. Es wurde plötzlich totenstill. Aller Aufmerksamkeit richtete sich auf mich.
Ich hob die Hand zu den Augen, um sie vor dem grellen Licht zu schützen, und ging langsam, so ruhig ich konnte, die Treppe hinunter. Auch hinter mir blieb es still. Geoffrey folgte mir nicht. Der Geruch nach geschmortem Fleisch erfüllte die Luft – Täubchen und Wildbret. Das Festmahl war bereitet. Die Lakaien standen parat, es aufzutragen. Ich stellte mir vor, wie verwirrt und aufgeregt sie sein mussten draußen in den Küchenräumen und Korridoren, mit Platten voller Speisen, die nun niemand verzehren würde.
»Und wen haben wir hier?« Es war die Stimme Dudleys, die ich jetzt dem Mann selbst zuordnen konnte. Ich senkte die Hand.
Er schien vielleicht fünf Jahre älter zu sein als ich – ein großer, sehniger Mann mit einem präzise gestutzten Bart. Eine Hand in die Hüfte gestemmt stand er da und wartete.
Ich schaute zu Henry Courtenay hinüber, dessen Lippen lautlos das Wort »Nein« bildeten. Neben ihm stand Lord Montague, Schmerz und Stolz im Blick und noch etwas, was ich nicht bestimmen konnte.
Am Fuß der Treppe angelangt, trat ich direkt auf John Dudley zu und sagte: »Mein Name ist Joanna Stafford.«
Kapitel 21
»Sir, ich fürchte, hier herrscht Verwirrung über den Anlass dieses Abendessens«, sagte ich mit äußerster Höflichkeit. »Ihr irrt, wenn Ihr glaubt, es hätte sich irgendetwas Unrechtes ereignet. Mein Cousin, der Marquis, hat eine Heirat zwischen Baron Montague und mir vorgeschlagen und wollte uns bei diesem Abendessen Gelegenheit geben, zu seinem Vorschlag Stellung zu nehmen.«
Ich wartete darauf, dass Dudleys eisige Feindseligkeit schmelzen würde. Nichts dergleichen geschah.
»Ihr seid eine Stafford?«, fragte er. »Wessen Tochter? Buckinghams?«
»Mein Vater war der jüngste Bruder des Herzogs, Sir Richard Stafford«, antwortete ich.
Dudley nickte. »Die Verräterfamilien schließen sich in neuen Bündnissen zusammen.«
»Von Verrat kann keine Rede sein«, entgegnete Montague scharf.
Dudley zog die Augenbrauen hoch. »Behauptet der Bruder von Kardinal Reginald Pole«, sagte er.
Aus dem oberen Korridor schallte lautes Geschrei zu uns herunter. War die Durchsuchung der Grund? Geoffrey hatte Chaos vorhergesagt. Ich blickte zum Alkoven oben an der Treppe. Geoffrey war immer noch sicher in seinem Versteck. Ich fragte mich, ob er meinen Versuch, das Unheil abzuwenden, mitgehört hatte – diesen Versuch, der bislang nicht das Geringste bewirkt hatte.
Zwei von Dudleys Soldaten gingen zielstrebig am Zugang zum Alkoven vorbei, zu meiner Erleichterung, ohne einen Blick hineinzuwerfen. Ihnen folgten Edward Courtenay, bestürzt und ängstlich, und ein schwarzhaariger Junge, vielleicht zwei Jahre älter als Edward. Es konnte nur Lord Montagues Sohn und Erbe sein. »Ihr habt kein Recht, mich irgendwohin zu bringen«, schrie der Junge wütend und versuchte vergeblich, sich aus den Fesseln zu befreien, mit denen man ihm die Hände auf dem Rücken gebunden hatte. Zwei Soldaten stießen ihn vor sich her die Treppe hinunter. Ich hielt nach Arthur Ausschau, doch er befand sich zum Glück nicht in dem schrecklichen kleinen Zug. Ich wollte mir nicht vorstellen, wie groß seine Angst und seine Verwirrung sein mussten, wenn er von dem Lärm wach geworden war.
Henry Courtenay schrie laut auf, als er hilflos mit ansehen musste, wie sein verängstigter Sohn die Treppe hinuntergeführt wurde. Im selben Moment bemerkte ich, wie Montague, dessen Augen beim Anblick seines gefesselten Sohnes wie dunkle Flammen in dem schmalen Gesicht aufloderten, in sein Wams griff. Ich wusste, was er dort suchte, und ich sah auch, dass Dudley ihn nicht aus den Augen ließ.
Ich sprang neben ihn. »Tut das nicht«, flüsterte ich. »Genau das will Dudley doch. Er versucht, Euch zu provozieren.«
Montague ließ sich nicht anmerken, dass er mich überhaupt gehört hatte, doch er zog die Hand aus seinem Wams.
Seinem Sohn wurde nicht gestattet, sich ihm zu nähern. Der junge Pole habe gewaltsamen Widerstand geleistet, erklärten die Soldaten, und werde in Fesseln bleiben. Zwei Männer bauten sich zwischen dem Baron und seinem
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