Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
beherrschen.
»Lord Montague, hört ihn an, ich bitte Euch«, sagte ich. »Er hat Euch etwas Wichtiges mitzuteilen.«
Einen Moment sah er mich schweigend an. Verwirrung kämpfte mit Schmerz. Dann jedoch überwältigte ihn ein Zorn, der alles andere fortriss.
»Das wird Henry Courtenay mir büßen«, sage er. »Dass er mir eine Frau zuführen wollte, die sich als Dame gibt, doch in Wirklichkeit nichts anderes ist als eine gemeine – «
»Redet nicht so über sie.« Mit geballten Fäusten trat Geoffrey einen Schritt näher an Lord Montague heran.
»Ihr habt Euch da oben mit ihr vergnügt«, entgegnete Montague. »Ich glaubte, sie bliebe so lang fort, weil sie sich um die Kinder kümmerte. Aber sie hat sich um Euch gekümmert.«
Zu meinem Entsetzen stieß Geoffrey ihn mit der Faust vor die Brust. »Das reicht jetzt.«
Montague taumelte rückwärts, doch er fing sich sogleich wieder, ein höhnisches Lächeln um den Mund. »Ja, es reicht in der Tat. Ihr habt Hand an einen der Höchsten des Reiches gelegt, dafür erwartet Euch der Tod.«
Er griff tief in sein Wams und zog ein Messer heraus.
»Nein!«, schrie ich und versuchte, Geoffrey wegzustoßen.Doch Geoffrey wich mir mit einer schnellen Drehung aus und zog selbst ein Messer.
»Ihr werdet mich nicht töten, alter Mann«, sagte er.
Das höhnische Lächeln erlosch. Montagues Hand spannte sich so fest um den Messergriff, dass die Knöchel weiß wurden. »Ihr sterbt noch heute Abend, verlasst Euch darauf«, stieß er mit erstickter Stimme hervor.
»Das ist doch Wahnsinn«, rief ich. »Ich hole Henry – ich hole die anderen.«
Sie umkreisten einander mit lauernden Blicken. Geoffrey war jünger und frischer, doch Montague trug die gefährlichere Waffe. Die lange Messerklinge glänzte im Licht der Kerzen. Und Montague bewegte sich mit kalkulierter Behändigkeit die Stufen hinauf und hinunter, wendig wie eine schwarze Katze kurz vor dem Angriff.
»Lord Montague, Geoffrey Scovill ist mein Freund – er ist nicht das, wofür Ihr ihn haltet. Haltet ein, ich bitte Euch«, flehte ich.
Montague beachtete mich gar nicht. Ich blickte suchend die Treppe hinauf und hinunter und entdeckte niemanden, der mir hätte helfen können. Ich musste allein versuchen, diesen Kampf zu verhindern, ehe es zu Blutvergießen kam.
»Jetzt ist nicht die Zeit für solchen Streit«, rief ich energisch. »Geoffrey Scovill ist Constable in Dartford. Er ist gekommen, um mich zu warnen. Die Leute des Königs sind auf dem Weg hierher. Sie sind mit Haftbefehlen versehen. Für Euch und Henry und ebenso für Sir Edward Neville.«
Montague warf mir nur einen kurzen Blick zu. »Ich glaube Euch nicht.«
Geoffrey richtete sich auf, holte einmal tief Atem, drehte sein Messer herum und hielt es, mit dem Griff voraus, Montague hin. »Es stimmt«, sagte er. »Ich bin Constable in Dartford. Ich bitte um Vergebung, Sir, dass ich grob geworden bin. Hier, nehmt meine Waffe.«
Ich wartete mit hämmerndem Herzen darauf, was Montague tun würde.
Sehr langsam senkte er sein Messer. Die ihm von Geoffrey dargebotene Waffe schlug er mit einer Handbewegung aus. »Wer überbringt die Haftbefehle?«, fragte er leise.
»Lord John Dudley als Beauftragter des Königs«, antwortete Geoffrey.
Montague nickte. »Ich wusste immer, dass dieser Tag kommen würde«, sagte er, mehr zu sich selbst als zu Geoffrey und mir. Dann straffte er die Schultern und schob das Messer in sein Wams. »Ich muss zu meinen Freunden zurückkehren – wir müssen uns vorbereiten.«
»Aber nicht Miss Stafford?«, fragte Geoffrey schnell. »Ihr Name steht nicht auf den Haftbefehlen. Ich bin hergekommen, um sie und Arthur von hier fortzubringen. Nur darum habe ich mich hinter der Maske eines Bediensteten des Hauses versteckt.«
Montagues Gesicht sah aus wie aus Stein gemeißelt. »Aus Liebe und Respekt zu Eurem verstorbenen Vater und Eurem Onkel, dem Herzog von Buckingham, werde ich dafür Sorge tragen, dass Euer Name nicht erwähnt wird.« Damit wandte er sich zum Gehen.
»Wartet, Lord Montague«, sagte ich.
Er drehte sich um. Seine Züge waren angespannt.
»Auch Geoffrey Scovills Name darf nicht erwähnt werden – Ihr dürft nicht verraten, wer Euch unterrichtet hat«, sagte ich. »Ich bitte Euch.«
Ein Schatten des Schmerzes flog über sein Gesicht. »Wie Ihr wünscht, Miss Stafford«, sagte er tonlos.
Ich sah ihm nach, wie er hocherhobenen Hauptes die Treppe hinunterstieg. Geoffrey nahm mich beim Arm und zog mich mit sich nach oben.
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