Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
irgendwelchen Verschwörungen beteiligt, ich war bereit, das bei meinem Leben zu schwören.
»Dudley, wie kommt Ihr dazu, Euch nach Einbruch der Dunkelheit Zutritt zu diesem Haus zu erzwingen, während wir uns eben zum Essen setzen wollen?«, hörte ich Montague in verächtlichem Ton fragen. »Das verstößt ja wohl gegen alle guten Sitten.«
»Dieses späte Abendessen ist einer der Gründe unseres Kommens«, antwortete Dudley. »Mit Verlaub, Lord Montague, es stinkt nach Verschwörung. Und wir werden genauestens untersuchen, was hier gesprochen wurde und welche Pläne gefasst wurden.«
»Ihr stört ein rein gesellschaftliches Beisammensein«, entgegnete Montague. »Unsere Gespräche gehen Euch nichts an. Die Dinge, die in einem Haus wie diesem besprochen werden, übersteigen ohnehin Euren Horizont. Ihr seid der Sohn eines verurteilten Verräters. Es spricht nicht für das Feingefühl Seiner Majestät, ausgerechnet Euch mit unserer Verhaftung zu beauftragen.«
Ich hörte diese Rede mit Schrecken. Warum musste Montague den Mann auch noch reizen?
»Wer die Beauftragten sind, spielt hier keine Rolle«, versetzte Dudley kalt. »Es geht allein um die Beantwortung der Frage, warum Ihr heute Abend in der Suffolk Lane zusammengekommen seid.« Einen Moment herrschte Schweigen. »Beginnt mit der Durchsuchung.«
»Was habt Ihr vor?«, fragte Montague scharf.
»Wir haben den Befehl, gewisse Räume zu durchsuchen«, antwortete Dudley.
In dem dämmrigen Alkoven starrten Geoffrey und ich einander reglos an, während ein halbes Dutzend Männer die Treppe heraufpolterten. Gleich würde man uns entdecken.
Doch die Männer des Königs eilten vorbei, ohne einen Blick in den Alkoven zu werfen.
»Das könnte uns helfen«, flüsterte Geoffrey. »Wenn hier jetzt Chaos ausbricht, können wir das vielleicht für uns nutzen.«
Durch das Stimmengewirr rundum hörte ich wieder Henry Courtenay sprechen. Von seiner Selbstsicherheit war nichts geblieben. In panischem Ton sagte er: »Nein. Nein. Das kann nicht stimmen. Diese Haftbefehle – all die Namen – das ist ausgeschlossen, Dudley.«
Seine Angst erschütterte mich bis ins Innerste. Entsetzen, Verwirrung und Abscheu schüttelten mich. Wie konnte ich mich jetzt heimlich davonmachen, nur um meine eigene Sicherheit besorgt, und Henry und Montague diesem Unheil überlassen? Zumal sie ihre Situation von Minute zu Minute dadurch verschlimmerten, dass sie den Leuten des Königs den wahren Grund für das Festmahl an diesem Abend – eine Annäherung zwischen Henry Montague und mir – beharrlich verschwiegen.
»Sie werden sich bald verteilen«, murmelte Geoffrey. »Dann versuchen wir unser Glück.«
Ich sah ihn nur schweigend an. Warum hatte er das getan – sich von Neuem in Gefahr gebracht? Ich bedauerte es, bedauerte es, dass er mir derart starke Gefühle entgegenbrachte. Er verdiente eine liebevolle und fürsorgliche Frau, nicht eine schwierige, ständig von Gefahren heimgesuchte Person wie mich. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es uns gelingen sollte, gemeinsam aus diesem Haus zu entkommen. Die Männer des Königs würden es von oben bis unten durchsuchen. Solange er an meiner Seite blieb, würde er sich Verhör und womöglich Gefangennahme aussetzen. Allein hatte er vielleicht eine Chance.
Eine neue Frage tat sich plötzlich auf. Vielleicht erfüllte sich hier die Prophezeiung der Seher. Vielleicht war ich ausersehen, Henry Courtenay und Lord Montague und die anderen, derenNamen auf den Haftbefehlen standen, zu entlasten. Ich würde den Weg bestimmen, den die Zukunft nehmen werde, hatte Orobas gesagt. Ich hatte mich gegen die Prophezeiung gewehrt, weil sie mir Angst machte und es unmöglich – ja absurd – schien, dass ich König Heinrich an irgendetwas hindern könnte, was er beschlossen hatte. Aber vielleicht ging es gar nicht darum, dem König direkt die Stirn zu bieten. Vielleicht ging es bei der Prophezeiung um eine andere Art des Eingreifens. Wenn ich heute Abend schwieg, würden diese untadeligen Männer vielleicht vernichtet werden und der König noch mehr Macht gewinnen, um seine Pläne durchzusetzen und vielleicht einen zweiten Sohn zu zeugen, der ihm nachfolgen würde. Doch was, wenn ich mich aus meinem Versteck wagte und den wahren Grund des abendlichen Zusammentreffens aufdeckte? Ich konnte sie alle retten – und damit die Geschicke Englands in andere Bahnen lenken.
Ich trat von Geoffrey weg ans Licht.
»Joanna«, flüsterte er erschrocken.
»Verschwindet
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