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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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Sohn auf.
    Edward jedoch wurde erlaubt, zu seinem Vater zu gehen. »Ich verstehe das nicht«, sagte er mit seiner hohen Kinderstimme, als Henry ihn fest in die Arme schloss.
    »Ihr dürft doch keine Kinder verhaften«, rief ich, ohne einen Moment zu überlegen.
    »Genau das verlangen aber die Haftbefehle von mir, die seine Majestät persönlich unterzeichnet hat«, entgegnete Dudley.
    »Das ist entsetzlich – wie niederträchtig«, rief ich.
    Dudley sagte betont milde zu Montague: »An Eurer Stelle würde ich versuchen, meine Verlobte etwas zu zügeln.«
    Ich unterdrückte eine Erwiderung, so schwer es mir fiel. Nicht so Montague. »Wie alt wart Ihr eigentlich, Dudley, als man Euren Vater abgeholt hat?«
    Für John Dudley spielte also hier noch etwas anderes mit.
    Montagues Hieb saß. Dudleys Gesicht spannte sich. »Fünf«, sagte er kurz, bevor er sich abwandte, um den Korridor hinunterzuschauen, der zum Rittersaal führte. »Ah, da sind sie ja.«
    Von Soldaten begleitet, erschienen Sir Edward Neville und Gertrude, beide vergeblich bemüht, ihre Angst zu verbergen. Auch Gertrude sollte also verhaftet, die ganze Familie Courtenay in den Tower gebracht werden.
    Nie werde ich Gertrudes Reaktion vergessen, als sie ihren Sohn in den Armen ihres Mannes erblickte. Ihr Gesicht wurde kreidebleich, und sie schwankte so heftig, dass ich glaubte, sie würde zusammenbrechen. Doch irgendwie hielt sie sich aufrecht und taumelte vorwärts, an Montague und mir vorbei, ohne uns wahrzunehmen. Ihr Duft, diese eigene Mischung aus Kamille, Rosmarin und Orange, umschwebte uns, als sie ihrem Mann in die ausgebreiteten Arme fiel. Von seiner Mutter gehalten begann Edward heftiger zu weinen. Die drei Courtenays hielten einander so fest, dass ich an einen dreistämmigen Baum denken musste.
    »Sie nicht – Lady Pole nicht.« Dudley wies auf die blasse Constance Pole, die jetzt ebenfalls in die Halle trat. »Sie darf auf keinen Fall verhaftet werden.«
    »Und warum nicht?«, fragte Montague scharf.
    »Weil es die Aussage ihres Gemahls, Sir Godfrey Pole, war, die Seine Majestät davon überzeugt hat, dass eine genaue Untersuchung all Eurer Unternehmungen angebracht ist.«
    »Nein«, schrie Lady Pole auf. »Nein, nein!«
    »Das ist ausgeschlossen«, sagte Henry Courtenay, seine Frau und seinen Sohn weiterhin fest im Arm.
    »Habt Ihr meinen Bruder gefoltert, Dudley?« Montagues Gesicht verfinsterte sich bedrohlich. »Wenn ja, so werdet Ihr dafür büßen, das schwöre ich bei der Heiligen Jungfrau.«
    Lady Pole begann zu schluchzen.
    Dudley blieb eiskalt. »Ich bin kein Folterknecht, Lord Montague. Ich wurde letztes Jahr zum Vizeadmiral der königlichen Flotte ernannt. Ich befehlige Schiffe und Soldaten, nicht das Gesindel im Tower. Um Eure Frage zu beantworten – Sir Godfrey Pole hat seine Aussagen aus freiem Willen gemacht.«
    Montague antwortete nur mit einem kurzen Laut der Geringschätzung.
    Constance Poles Schluchzen steigerte sich ins Maßlose. Dudley rief Pater Timothy an, der mit Charles und James in der gegenüberliegenden Ecke der Halle stand. »Ihr da – Priester. Bringt Lady Pole hinaus!« So wie Dudley das Wort Priester in den Raum spie, gab es für mich keinen Zweifel, dass er ein Feind des katholischen Glaubens war. Anhänger dieses Glaubens zu schikanieren, musste ihm eine Genugtuung sein.
    Von oben kamen weitere Soldaten die Treppe herunter, mit Büchern und Schriftstücken beladen, den Früchten der Durchsuchung. Dem letzten der Soldaten folgte Constance, Gertrudes Hofdame, voll ängstlicher Erregung, die ich verstand, als ich sah, was dieser letzte Soldat bei sich hatte. Es war die kleine braune Kassette mit Gertrudes Briefen.
    Mein Herz hämmerte in schmerzhaften unregelmäßigen Schlägen. Was enthielt die Kassette? An dem Abend, als ich unerwartet in Gertrudes Badezimmer gekommen war, hatte sie versucht, ein auf Lateinisch abgefasstes Schreiben vor mir zu verbergen. Das war es, was die Leute des Königs suchten! Sie wusstenvon Gertrudes verschwörerischen Machenschaften. Sie waren nicht wegen eines angeblich verdächtigen privaten Abendessens hier. Kein Wunder, dass meine Intervention wirkungslos geblieben war.
    Ich bemerkte, dass Dudley mich beobachtete. Bei all dem Aufruhr rundherum schien ihn allein meine Reaktion auf den Anblick von Gertrudes Kassette zu interessieren. Ein kleines, befriedigtes Lächeln umspielte seinen Mund.
    Das Lächeln erlosch, als Constance zu ihm trat und erregt sagte: »Sir, ich muss der

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