Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
Liebhaber«, widersprach ich ärgerlich. »Ich muss Euch doch bitten, die Höflichkeit zu wahren, Lord Montague.«
Montagues eben noch so verschlossenes Gesicht zeigte einen amüsierten Zug. Er lachte kurz auf.
Alle drehten die Köpfe bei diesem Lachen. Dudley runzelte wie ungläubig die Stirn.
Montague schien das nur zu animieren. Sein aschfahles Gesicht bekam wieder Farbe, seine Augen blitzten feurig. »Ihr habt hier das Kommando, Dudley, dann lasst uns endlich aufbrechen«, rief er. »Was hattet Ihr von mir erwartet? Zetern und Klagen? Ich bin wohlvorbereitet darauf, dass Ihr Euer Schlimmstes tun werdet.«
Die beiden Männer starrten einander wortlos an. Der Hass zwischen ihnen war beinahe greifbar. Ich war froh, endlich anMontagues Arm zur Tür hinausgehen zu können und Dudleys misstrauischem Blick zu entkommen.
Die Sonne war untergegangen. Am Horizont verblasste das letzte matte Licht. Bald würde es dunkel sein. Vom Flussufer, wo die Bootsleute über offenen Feuern ihr Abendessen zubereiteten, wehte ein Geruch nach Fisch herauf.
In der Suffolk Lane erwarteten uns zwei Pferdefuhrwerke und ein Dutzend weitere Soldaten. Dudley hatte mehr als genug Leute zu unserer Bewachung mitgebracht. Hinter ihnen hatte sich bereits eine Menschenmenge gesammelt. Das Gemurmel, mit dem sie uns empfing, war bedrückend. Kein Gejohle, keine höhnischen Zurufe. Im Gedränge sah ich eine alte Frau ein Kreuz schlagen. Der junge Mann neben ihr stieß sie sofort tiefer in die Menge hinein. Vielleicht war sie seine Mutter.
Die Courtenays und Neville wurden nach uns hinausgebracht. Dudley kam als Letzter. Er teilte uns in zwei Gruppen ein. Henry, Gertrude und ihr Sohn würden zusammen mit Constance im ersten Wagen fahren. Ich würde Lord Montague, seinen Sohn und Sir Edward Neville im zweiten begleiten.
Auf dem Weg an uns vorbei blieb Henry Courtenay stehen und sah seinem alten Freund Montague fest in die Augen. Was er dort erblickte, schien ihm Mut zu verleihen; er richtete sich auf und fasste seinen Sohn fester um die Schultern, bevor er weiterging. Gertrude hingegen sah mich an, mit einem flehentlich bittenden Blick. Dann war sie an mir vorüber. Montague, der an meiner Seite stand, blickte mich fragend an, sichtlich verwundert darüber, dass die Marquise von Exeter bei Joanna Stafford Hilfe suchte.
Niemals war mir die Prophezeiung der Seher abwegiger erschienen als an diesem Abend.
Ein Soldat bedeutete mir, auf den Wagen zu steigen. Ich folgte dem Befehl, ohne mir einen Moment des Zögerns zu erlauben. Auf Stafford Castle wurde oft erzählt, dass der dritte Herzog von Buckingham vom Zeitpunkt seiner Verhaftung bis zu dem Augenblick, als er vor dem Henker niederkniete, keine Furcht gezeigthatte. Er hatte bis zuletzt vorbildliche Haltung bewiesen, auch wenn das seinen verwaisten Kindern zweifellos nur ein schwacher Trost war.
Ich hatte Schwierigkeiten, in meinem Prachtgewand den Wagen zu erklimmen. Der schwere Silberstoff blieb an einer Holzplanke hängen, und ich hörte, wie er riss. Das Kleid war ruiniert, aber was spielte das jetzt noch für eine Rolle? Ich setzte mich auf die schmale harte Bank, und die anderen folgten mir schweigend.
Dudley beriet sich mit zwei seiner Leute an der Haustür. Montague ergriff die Gelegenheit, um mit seinem Sohn zu sprechen. Die Ähnlichkeit zwischen ihnen war selbst im schwindenden Licht unverkennbar. Es freute mich, sie so innig verbunden zu sehen, ganz Vater und Kind.
»Nein! Nein! Nein!« Ein Mann in Courtenay-Tacht stürmte zum vorderen Fuhrwerk. Es war Joseph, beide Arme nach Gertrude ausgestreckt. Dudley gab einen kurzen Befehl, und seine beiden Männer warfen sich Joseph in den Weg. Mit Leichtigkeit hielten sie ihn auf und rissen ihn zu Boden, wo er laut schreiend auf das holprige Pflaster aufschlug. Der einfältige Zwilling war keine Bedrohung mehr, doch die Soldaten ließen nicht von ihm ab, abwechselnd traten sie auf ihn ein, malträtierten mit ihren schweren Stiefeln seinen ganzen Körper und, zu meinem Entsetzen, sogar seinen Kopf.
James stürzte vorwärts, doch Charles hielt ihn am Arm fest. Er würde nicht zulassen, dass James auch noch verprügelt wurde.
»Ihr bringt ihn um – um Gottes willen, ihr bringt ihn um«, schrie James außer sich.
Dudley beobachtete das alles reglos. Sein Gesicht war so unbewegt wie zuvor, als ich für Arthur gebeten hatte. Irgendwann schaute sich einer der Soldaten mit schweißglänzendem Gesicht nach Dudley um, wohl in Erwartung eines
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