Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
»Wir brechen auf.«
»Wohin?«, fragte ich.
Einer seiner Leute, ein rotbärtiger Mann, trat zu uns. »Durchlaucht, wir haben hier einen Mann – «
»Könnt Ihr denn gar nichts allein erledigen, Richard?«, fuhr ihn der Herzog mit einer Gereiztheit an, die ihren Ursprung in einer tiefen Erschöpfung zu haben schien. Der Anblick der Poles, der Courtenays und Sir Nevilles, die da auf einem Fuhrwerk zusammengepfercht dem Tower entgegenfuhren, hatte ihn wahrhaft erschüttert.
»Es betrifft die junge Dame.« Richard zeigte auf mich.
Geoffrey. Er stand jenseits einer Reihe von Männern in Schwarz und Gold im Licht einer Fackel.
Als Norfolk näher trat, verneigte er sich tief und sagte höflich, aber fest: »Durchlaucht, es geht um Miss Joanna Stafford. Ich – «
»Halt!« Norfolk hob eine Hand. »Ich kenne Euch doch.«
Aller Mut verließ mich. Wie war es möglich, dass der Herzog Geoffrey wiedererkannte, dem er ein einziges Mal vor über einem Jahr bei einem Verhör von nicht einmal einer Stunde Dauer begegnet war? Geoffrey und ich warteten in angespanntem Schweigen, während Norfolk sich zu erinnern suchte.
»Ja, richtig, es war in einer Zelle im Tower und …« Norfolk drehte sich ruckartig nach mir um. »Er wurde mit Euch zusammen in Smithfield verhaftet. Ihr habt damals behauptet, ihn nicht zu kennen. Wenn ich nicht irre, nanntet Ihr ihn einen Wurm.«
Ich zuckte zusammen. Ja, ich hatte Geoffrey verleugnet. Es war ein verzweifelter Versuch gewesen, allen Verdacht von ihm abzuwenden. Es war mir gelungen, ihn zu befreien, doch meine Worte hatten ihn damals tief verletzt.
»Was geht hier vor?«, fragte Norfolk scharf.
Ich kam Geoffrey mit einer Antwort zuvor, entschlossen, ihn nicht noch einmal zu verleugnen. »Constable Geoffrey Scovill ist mein Freund«, sagte ich.
Norfolk starrte mich so ungläubig an wie seine Männer, deren Blicke zwischen mir in meinem silbernen Gewand und Geoffrey in der Tracht eines Mannes aus dem Volk hin und her flogen.
»Bei den Tränen der Madonna!«, rief Norfolk und lachte laut. Es schien ihm ein Hochgenuss zu sein, die Verbindung zwischen uns aufzudecken. Seine Erschütterung über die Verhaftung seiner Adelsgenossen war verflogen. Mir waren seine lästerlichen Reden so verhasst wie dieses gemeine Hohnlachen.
»Ich nehme an, Montague hatte keine Ahnung, dass er sich Euch mit diesem jungen Bock teilen würde«, spottete er.
Ich würdigte ihn keiner Antwort.
Geoffrey sagte, um Haltung bemüht: »Durchlaucht, ich bin ein gesetzlicher Vertreter der Gemeinde Dartford, in der Miss Stafford ihren Wohnsitz hat, und einzig in dieser Eigenschaft bitte ich darum, sie und ihren Verwandten, Arthur Bulmer, nach Hause geleiten zu dürfen.«
Norfolk runzelte die Stirn. »Arthur Bulmer?«
»Margarets Sohn«, sagte ich. »Er hält sich im Haus der Familie Courtenay auf. Seit dem Tod seiner beiden Eltern steht er unter meiner Obhut.«
Das höhnische Lächeln in Norfolks Gesicht erstarb. Er selbst hatte als Kommandierender der königlichen Truppen Arthurs Eltern während des Aufstands in Nordengland festnehmen lassen. Er hatte sie nach London bringen lassen, wo ihnen der Prozess gemacht wurde. Und Margaret war die Halbschwester seiner Frau gewesen.
Er überlegte einen Moment. »Arthur Bulmer wird nach Dartford zurückgebracht. Der Constable kann ihn in Obhut nehmen. Doch Ihr, Joanna Stafford, Ihr werdet mich begleiten.«
»Warum?«, fragte ich. »Ihr selbst habt Lord Dudley erklärt, dass mir nichts vorzuwerfen ist, dass mein Name niemals in Verbindung mit der Untersuchung wegen Hochverrats genannt wurde.«
»Wenn Ihr das gehört habt«, versetzte Norfolk, »dann werdet Ihr auch gehört haben, dass ich jetzt die Entscheidungen für die Familie Stafford treffe.«
Meine Proteste und ein neuerlicher Versuch Geoffreys, eine Wendung herbeizuführen, halfen nichts. Norfolk blieb fest in seinem Beschluss.
Ich wandte mich an Geoffrey. »Arthur wird außer sich sein«, sagte ich. »Er wird sicherlich weinen und schreien. Selbst wenn er sich vom Kloster her noch an Euch erinnern sollte, wird es sehr schwierig werden, ihn zu bändigen.«
»Ich werde schon mit ihm fertig, Joanna«, versicherte Geoffrey.
»Bitte bringt ihn sogleich zu Schwester Winifred und Bruder Edmund«, fuhr ich verzweifelt fort.
»Ich werde mich um alles kümmern, Joanna. Für Arthur wird gut gesorgt werden.« Er senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Und er und ich werden schon sehr bald wieder bei Euch
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