Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
sein.«
Norfolk schwang sich in den Sattel und rief seine Männer ungeduldig zum Aufbruch. Einer seiner Leute führte eine Stute zu mir und half mir in den Sattel.
»Eins habe ich noch zu sagen«, verkündete Norfolk hoch zu Ross. »Ihr, Geoffrey Scovill, werdet Joanna nicht mehr nahe kommen. Die Cousine meiner Gemahlin hat eine Vorliebe für das gemeine Volk. Ich habe heute Abend Milde walten lassen, weil ich diese Vorliebe teile. Aber damit hat es nun ein Ende. Es darf in dieser Familie keine Skandale mehr geben.« Er wies mit ausgestrecktem Arm auf Geoffrey. »Wenn ich Euch noch einmal in ihrer Nähe sehe, werdet Ihr hängen, Constable. Habt Ihr verstanden?«
Ich konnte Geoffreys Gesicht nicht sehen. Doch ich hörte seine Stimme. Sie war leise und gedämpft. »Gewiss, Durchlaucht.«
»Gut.« Norfolk gab seinem Grauen einen klatschenden Schlag in die Flanke. Mit einem Satz sprang das Pferd vorwärts, und die anderen folgten. Ich brauchte kaum die Zügel zu schütteln, so wohldressiert war meine Stute. Norfolk schlug ein schnelles Tempo an, und seine Männer hielten mit.
Ich drehte und wendete mich nach allen Richtungen, doch von Geoffrey war nirgends eine Spur zu sehen. Er folgte mir nicht mehr. Keiner hätte das nach dieser Warnung gewagt. Ich war jetzt in der Hand des Herzogs von Norfolk.
Kapitel 23
Meine Gedanken rasten, während ich Norfolk in schnellem Ritt durch die Lower Thames Street folgte. Wie sollte ich es anstellen – wie konnte es mir gelingen, mich von Norfolk zu befreien? Es musste eine Möglichkeit geben zu fliehen und nach Dartford zurückzukehren, ohne Geoffrey in Gefahr zu bringen. Meine engsten Freunde, meine Träume von Unabhängigkeit – ich konnte sie nicht für Stafford Castle aufgeben.
Norfolk bog scharf ab und lenkte sein Pferd im Trab direkt zur Themse hinunter. Ich hörte jemanden nach einem Boot rufen. Wir würden übersetzen. Norfolks Ziel konnte nur Howard House in Southwark sein. Ich war schon einmal in diesem Herrschaftssitz der Familie Howard gewesen, an einem schicksalhaften Tag mit Bruder Edmund.
Die Bootsleute halfen mir in den Kahn. Nur drei von uns würden über den Fluss setzen: Norfolk, sein Diener Richard und ich. Ich blickte den übrigen Männern nach, die, unsere Pferde mit sich führend, zur Brücke galoppierten, und fragte mich, warum wir uns von ihnen getrennt hatten.
»Durchlaucht«, sagte ich, »darf ich fragen – «
»Nein, Ihr dürft nicht«, unterbrach Norfolk mich grob. »Ich dulde keine Fragen und kein Weibergezeter. Lasst mich nachdenken, verflucht.«
Gleich darauf legten wir vom Nordufer ab. Auf dem Fluss war nichts zu hören als das Ächzen der Ruderer, die sich in die Riemen legten. Es war keine leichte Fahrt; die Strömungen waren stark, und sie waren gegen uns. Ich konnte mir nicht vorstellen, warum Norfolk sich für diese nächtliche Ruderpartie entschieden hatte – es wäre doch weit vernünftiger gewesen, mit den anderen über die Brücke nach Southwark zu reiten.
Der Wind blies kalt über das unruhige Wasser. Ich legte die Arme um meinen Oberkörper und kauerte mich zitternd zusammen. Das Wasser auf dem Grund des Boots durchnässte meineSamtschuhe. Jemand tippte mir mit dem Finger auf die Schulter. Richard reichte mir eine grobe Decke, die er sich von einem der Ruderer hatte geben lassen.
»Danke«, sagte ich leise.
Er nickte nur, den Blick auf Norfolk gerichtet, der vornübergebeugt im Bug saß.
Unser Boot erreichte schließlich eine große Anlegestelle am Südufer, die von Fackeln oben auf der Böschung erleuchtet wurde. Bei unserer Ankunft kamen vier Männer eine Treppe zum Landungssteg heruntergelaufen.
»Willkommen, Durchlaucht«, rief einer von ihnen. Es war nicht verwunderlich, dass die Leute hier in der Gegend das Gesicht des Herzogs kannten, er hatte schließlich sein Haus hier und er war ein berühmter Mann. Allerdings schienen mir diese Männer hier nicht von der Art, die sich ihr Leben als Fischer oder Fährleute verdienten. Wo waren wir? Eine hohe Mauer auf dem Hochufer verstellte den Blick.
Wir stiegen die schmale Treppe zur Böschung hinauf. Der eisige Wind vom Fluss trieb mir die Tränen in die Augen, und meine Füße in den durchnässten Schuhen wurden taub. Eine Öffnung in der Mauer führte uns auf eine schmale Allee durch einen bewaldeten Park, an dessen Ende ein Torbogen wartete. Dahinter erhob sich, zu einem großen Teil von Bäumen verdunkelt, ein massiges Gebäude. Der Schiffsanlegeplatz gehörte zu einem
Weitere Kostenlose Bücher