Die Prophezeiung der Schwestern - 1
Swindon.« Wieder ein Tippen mit dem Finger. »Von hier aus kommen wir nach Bath, einer sehr bekannten Stadt. Sehr bekannt, in der Tat. Vielleicht …«
Sonia unterbricht ihn. »Bath? Bath in England? Aber…«
Luisa schaut auf. Ihre Augen leuchten im Feuerschein. »Was?«
Sonia schaut erst Luisa an und dann mich. »Erst das Datum, und jetzt …«
»Und jetzt was?« Mein Magen hat sich zu einem Knoten verkrampft. Ich weiß nicht, was sie uns sagen will, aber ich habe das Gefühl, dass wir an einem Wendepunkt angelangt sind.
»Und jetzt Bath«, sagt sie. »Der Ort, wo ich geboren wurde. Das hat mir Mrs Millburn einmal erzählt, als ich danach fragte. Ich wurde in Bath geboren.«
Etwas schiebt sich mit einem Klicken ineinander. Ich schaue Luisa an. »Du wurdest nicht in Italien geboren, nicht wahr, Luisa?«
Ihre Stimme ist zu einem ängstlichen Flüstern abgefallen. »Nein.«
»Aber du hast doch gesagt, dass du in Italien geboren wurdest!« Perlen aus Panik scheinen aus Sonias Stimme herauszufallen und wie Glas zu zerspringen.
Luisa schüttelt den Kopf. »Nein, habe ich nicht. Ich sagte, ich komme aus Italien. Und das stimmt auch. Aber meine Mutter war Engländerin und geboren wurde ich in England. Dann brachte man mich nach Italien, als ich noch ein Baby war.«
Ich schaue Mr Wigan an. »Welche Ortschaften gibt es noch, Mr Wigan? In der Nähe der Steinschlange von Avebury, meine ich.«
Selbst er wirkt jetzt nervös, als er die Augen wieder senkt, die Karte absucht und mit dem Finger über das Papier gleitet, bis er den nächsten Punkt findet. »Mal sehen … Wir hatten Newbury, Swindon und Bath.« Kurz schaut er zu Sonia auf, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Karte richtet. »Wenn wir dieser Linie in einem Kreis folgen, haben wir hier Stroud, Trowbridge, Salisbury und … Andover. Kommt dir irgendetwas bekannt vor, meine Liebe?« Erwartungsvoll blickt er Luisa an.
Zuerst denke ich, dass ich mich irre. Ich muss mich irren, denn Luisa steht still da, als ob keiner der Orte, die Mr Wigan aufzählte, bei ihr irgendeinen Eindruck hinterlassen hat. Er seufzt tief und wendet sich wieder der Landkarte zu, will nach anderen Städten und Dörfern Ausschau halten. Da bricht Luisa das Schweigen.
»Salisbury«, murmelt sie. »Ich wurde in Salisbury geboren.«
Vier Zeichen. Vier Schlüssel. Ein Kreis aus Feuer. Erschaffen in dem ersten Atemzug von Samhain, im Schatten der Mystischen Steinschlange von Aubur. Die Worte der Prophezeiung flüstern in meinem Ohr und plötzlich weiß ich es. »Sonia, um welche Uhrzeit wurdest du geboren?«
Sie schüttelt den Kopf. »Ich habe keine Ahnung.«
Ich schaue Luisa an. »Und du?«
»So… so um Mitternacht, heißt es.«
Und jetzt bin ich mir sicher.
Ehrfürchtig und voller Verwunderung betrachte ich Sonia und Luisa. »Ihr seid es. Ihr und die anderen, die das Zeichen tragen. Ihr seid die Schlüssel.«
21
M üde und erschöpft kehren wir von unserem Besuch bei Mr Wigan heim. Die fröhliche Urlaubsstimmung ist gänzlich verflogen und die Atmosphäre während des Abendessens mit Tante Virginia, Alice und Henry ist angespannt. Wir alle sind erleichtert, dass wir uns gleich nach dem Dessert in unsere Zimmer zurückziehen können. Ich habe bereits mein Nachthemd angezogen und will gerade ins Bett gehen, als mich ein Klopfen an der Tür aufschauen lässt.
Ich öffne und da stehen Luisa und Sonia in ihren Morgenmänteln und Pantoffeln auf der Schwelle.
»Ihr seid noch wach? Ich dachte, ihr würdet längst schlafen.«
Sonia schüttelt den Kopf. »Ich fürchte, an Schlaf ist noch lange nicht zu denken, Lia.«
Ich gehe einen Schritt zurück und öffne weit die Tür. »Bitte. Kommt herein.«
Luisa betritt das Zimmer und lehnt sich gegen die Wand. Sonia setzt sich auf die Bettkante.
Ich lasse mich neben ihr nieder und schaue ihr ins Gesicht, das im flackernden Feuerschein bleich aussieht. »Was ist los?«
»Luisa und ich haben die Sache durchgesprochen. Und wir sind uns einig. Wenn wir die Schlüssel sind, dann sollten wir zusehen, dass wir die Prophezeiung so schnell wie möglich zu einem Ende bringen. Je eher, desto besser.«
Ich nicke und atme tief durch. »Gut. Aber … Ist alles in Ordnung?«
Sonia nimmt meine Hand. »Es war nur so … so … überraschend. Ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Natürlich wussten wir beide, dass wir irgendwie Teil der Prophezeiung sind. Warum sonst sollten Luisa und ich das Zeichen tragen? Trotzdem,
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