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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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selten aufsuchte, ging Hildie voran. Es war der älteste Teil der Stadt, noch aus der Zeit vor Actons Überfall. Sie schritten über einen kleinen, offenen Platz, nicht weit entfernt von den Docks. Ash hatte ihn noch nie gesehen, und er berührte ihn nun sehr. Gehört hatte er schon von diesem Platz, Doronit hatte ihn erwähnt und dabei gelacht. Sein Vater hatte ihm einmal ein Lied darüber beigebracht, ein Lied mit melancholischen Akkorden und verhallenden Kadenzen. In einer Vergangenheit, die so weit zurücklag, dass selbst die Felsbewohner, die unter den Klippen leben, sie vergessen hatten, war der Platz einst eine Furt durch einen offenen Strom gewesen, hieß es in dem Lied, und neben dem Strom gab es einen schwarzen Felsen, ein vom Himmel gefallener Felsen, zu dem die einheimischen Götter kamen, um ihren Anhängern zu begegnen.
    Die Spitze des schwarzen Felsens ragte noch immer durch die Kieselsteine und den Kies des modernen Turvite empor, schaute jedoch nur noch zwei Hand breit aus dem Boden heraus. Neben ihm, von Wurzeln umgeben, stand der einzige alte Baum der Stadt und breitete im Sommer einen grünen Schirm über ihm aus. Diese Eiche sah gleicherma ßen unpassend wie richtig aus, dachte Ash. Sie überragte die Cottages in ihrer Nähe, wirkte überdimensional und fehl am Platz. Doch Ash erkannte auch ihre Wohlgeformtheit. Die Krümmung ihrer Äste hatte Anmut, und die sich gelb färbenden Blätter hoben sich als blasse Flammen vom Himmel ab.
    Selbst in der Sommerhitze jedoch setzten sich Turviter nicht unter diesen Baum. Ash fiel auf, dass andere so an
dem Baum vorbeigingen, als würden sie ihn kaum wahrnehmen. In dem Lied hatte es geheißen, Turviter erwähnten den Platz weder untereinander noch gegenüber Besuchern. Er hatte auch keinen Namen, obwohl sonst noch das kleinste Stückchen des geschäftigen Kuchens eine Bezeichnung hatte, jede verwinkelte Gasse und Sackgasse in der Stadt einen Namen trug.
    Ash spürte den Baum in seinem Rücken, als sie in eine kleine Seitenstraße einbogen, nahm den ruhenden schwarzen Felsen wahr und die von ihm ausgehende Kraft. Wie konnten ihn die Turviter ignorieren? Mit einem vielstimmigen Flüstern seinen Namen aussprechend, rief er nach Ash. Die Stimmen waren schmeichelnd, einladend, vertraut wie die Stimme, die er in der Wiege gehört hatte, die Stimme, die er in seinem Kopf hörte. Er musste sich dazu zwingen, weiter mit Hildie zu gehen, und spürte dabei, wie ihm der Schweiß kalt den Rücken hinunterlief.
    Als sie in den verwinkelten Straßen verschwanden, verebbten die Stimmen enttäuscht, wurden leiser wie ein nachlassender Wind. Ash stellte fest, dass er nun schneller einherschritt, als hätten die Stimmen an seinen Kräften gezehrt und als kehre seine Energie nun zurück. Was wäre geschehen, wenn er der Stimme gefolgt wäre? Ich werde nicht zurückgehen , dachte er, niemals. Doch ein Teil von ihm, ein kleines Stück Sehnsucht, richtete seine Gedanken wieder auf den Baum und den Felsen. Er wusste, dass er in seine Richtung würde zeigen können, ganz gleich, wo er sich in der Stadt befand, als wäre der Fels ein Pol und er selbst eine Kompassnadel.
    »Meintest du Ranny von Highmark?«, fragte er Hildie, um sich auf andere Gedanken zu bringen.
    »Mmmm.«
    Ash war Ranny nie begegnet. Er hatte nur Geschichten
über sie gehört; sie war wild, verschwenderisch, rücksichtslos, intelligent genug, um zu wissen, wann andere intelligenter waren, und um die besten Köpfe einzustellen, die sie finden konnte. Sie war das Oberhaupt einer großen Kaufmannsfamilie, die sich über die halbe Welt erstreckte.
    »Sie will Martines Tod. Hat versucht, Dufe anzuheuern, um sie zu töten.«
    Dufe war eine Schutzwache, der Ash gelegentlich in den Tavernen begegnete. Er hatte kurz für Doronit gearbeitet, bevor Ash nach Turvite gekommen war.
    »Warum?«
    Hildie zuckte mit den Schultern. »Es heißt, das geht zurück auf eine Deutung, die Martine mal für sie gemacht hat. Sie hat ihr gesagt, sie kenne den Tag und die Stunde ihres Todes und auch den Grund dafür, aber mehr wollte sie ihr nicht verraten. Sie meinte, dies verstieße gegen ihren Kodex.«
    »Das tut es auch.« Ash nickte. »Kein Steinedeuter auf der Welt nennt einem den Zeitpunkt seines Todes. Angeblich nimmt einem das jede Lebensfreude.«
    »Ranny meinte, sie könne ihrem Tod entgehen. Woanders sein. Sie bot Martine an … na ja, sie hat ihr eine Menge angeboten, nur damit sie ihr verrät, wann sie stirbt. Damit sie den Ort

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