Die Prophezeiung der Steine
Flusslauf watete. Die sowohl Weben als auch Tischlern lernte, weil wir nur zu zweit waren und unsere
Eltern jemanden anlernen mussten - und Bramble war ja nie da. Außer zu Essenszeiten.
Oh, glaubt mir, es ist nicht so, als hätte ich Bramble nicht gemocht, überhaupt nicht. Denn, um die Wahrheit zu sagen, gefiel es mir, dass ich meine Eltern ganz für mich hatte. Und ich webte und tischlerte gern, und das kühle Grün des Flusslaufs lockte mich überhaupt nicht, während das gute Holz unter meinem Hobel flüsterte oder die leuchtende Wolle zwischen meinen Fingern eine Geschichte erzählte und das scharfe Geklapper des Weberschiffchens ertönte, während es über das Kettgarn huschte wie eine Libelle.
Aber ich machte mir Sorgen um Bramble. Denn wie sollte sie für sich sorgen, wenn sie erwachsen war, die sie nichts konnte und nichts Sinnvolles tat außer Wildkräuter im Wald zu sammeln? Ich sah eine Zeit voraus, nach dem Tod unserer Eltern, in der Bramble in die kalte, kalte Welt hineingeworfen werden würde, es sei denn, ich webte genug Tuch und bearbeitete genug Holz, um uns beide zu ernähren. Und da ich letzten Endes nur ein Mensch war, war ich entschlossen, dies nicht zu tun.
Also schaute ich Bramble an, dachte über sie nach und kam dann zu dem Schluss, dass es etwas gab, was sie im Überfluss besaß und was mir fehlte - das gute Aussehen. Sie war eine echte Wildrose mit ihrem lockigen, schwarzen Haar, ihren schwarzen Mandelaugen und ihrer glatten Gesichtshaut, der rosigen Röte auf den Wangen und ihrer Anmut eines Rehkitzes. Ich erkannte, dass sich ein guter Mann vielleicht nichts daraus machen würde, dass Bramble nicht einmal Brot backen konnte, falls er von ihrer Schönheit und ihrem Charme genug bezaubert war (wenn Bramble es darauf anlegte, konnte sie die Vögel aus den Bäumen auf ihre Hände locken). Dann könnte sich dieser Mann um Bramble
kümmern, und ich müsste mir nie wieder Sorgen um sie machen.
Also beschloss ich, Ausschau nach einem Mann für Bramble zu halten. Einem Mann, der so hart arbeitete, wie Bramble träge war. Ein Mann, der so wohlhabend war wie Bramble besitzlos. Ein Mann, der jung war und gut aussah, sonst hätte ihn Bramble gar keines Blickes gewürdigt, geschweige denn ihn geheiratet. Ein Mann, der fröhlich und ausgeglichen war, und sich nicht von den vielen Dingen irritieren ließ, die Bramble nicht konnte, sondern den Wert des ungestümen Freigeistes in ihr zu schätzen wusste. Ein Mann, der stark war - denn irgendwo und irgendwann musste Bramble gezähmt werden. Vielleicht vermochte Liebe dies, wo alles andere versagt hatte.
Ich fing an, in unserem Dorf zu suchen. Doch es gab hier keinen Mann, der den Anforderungen entsprochen hätte. Wilf war zwar süß, aber hässlich. Carl war ein fleißiger Arbeiter, aber so schüchtern wie eine Maus, und er verzagte jedes Mal, wenn Bramble ihn mit einem verachtungsvollen Blick bedachte. Weder Aelred noch Eric, Ralf oder Martin waren ausgeglichen genug, denn Bramble konnte die Geduld eines Steins herausfordern, wenn sie an den langen Sommerabenden spät und singend nach Hause kam, das Abendessen kalt und vertrocknet war und alle Hausarbeiten bereits erledigt.
Die anderen Jungen hatten Eltern, die Bramble zornig anstarrten, wenn sie (die sorgloseste, fröhlichste von allen) um den Springtree tanzte, und sie ihre Söhne von ihren leichten Füßen und ihrem glänzenden Haar fernhielten. Und keiner der Jungen hatte den Mumm, ihnen zu widersprechen.
Also schaute ich mich woanders um. Als ich neunzehn war und Bramble achtzehn, brachte ich zum ersten Mal
das Tuch allein zum Markt, zur Wintermesse in der Stadt. Es war gutes Tuch - meine Mutter und ich webten so, dass niemand hätte sagen können, wo die eine aufhörte und die andere anfing. Wir hatten es in ein zweckmäßiges Dunkelbraun gefärbt, eine gute Farbe für Wams, Mantel mit Kapuze oder einen Umhang. Außerdem nahm ich ein Stück mit, das ich ganz allein auf dem Sitzwebstuhl gewebt hatte, aus Wollresten und Wollabfällen, mit einem Muster aus Herbstblättern, die so leuchteten wie Feuer und so golden waren wie die Sonne und sich von der Farbe von Immergrün abhoben.
Ich legte meine Ware in der großen Markthalle aus, auf einem auf Böcken stehenden Tisch, den ich mir von der Veranstalterin des Marktes geliehen hatte, der Stadtdirektorin. Die soliden braunen Längen breitete ich zuerst aus, um dann auf die Vorderseite des Tisches das leuchtende Stück Tuch auszulegen. Ich
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