Die Prophezeiung der Steine
Begreifst du?«
»Aber … an was?«
Der Geist sah ihn kopfschüttelnd an und lächelte dabei höhnisch.
Ash wurde wütend. Selbst die Geister machten sich über ihn lustig. » An was ?«, schrie er den Geist an.
Widerwillig ertönte die tote Stimme abermals.
»An wen, Kumpel«, sagte sie. Das war alles. Das blasse, junge Gesicht, nach wie vor lächelnd, verschwand.
Martine ließ ihre linke Hand wieder in ihren Schoß sinken. »Die ist für immer weg«, sagte sie. »Sie hat ihre Schuld beglichen und ist gegangen. Gut gemacht.« Neugierig schaute sie ihn an. »Wie es scheint, führst du ein interessantes Leben, junger Mann.«
Hildie stieß einen scharfen Pfiff aus. Ash sprang auf, zückte seinen Dolch und presste sich mit dem Rücken gegen die Wand hinter der Tür, noch bevor er das Zeichen für Gefahr überhaupt bewusst registriert hatte.
»Sie sind zu dritt«, sagte Hildie. »Stehen hinter der Bäckerei Wache. Ein Mann und ein Junge, an der Tür. Einer ist hintenrum gegangen, schnell wie der Teufel. Er ist derjenige, auf den wir achten müssen.«
Hildie hatte nie versucht, wie ein Turviter zu sprechen, dachte Ash. Dann schüttelte er den Kopf. » Belanglos «, hallte Doronits Stimme in seinem Kopf wider. »Konzentriert euch, oder sterbt.«
Jemand klopfte an die Tür. Martine trat auf sie zu und schaute Hildie fragend an. Diese bedeutete ihr, stehen zu bleiben. Ash hörte leise Schritte hinter der Tür. Er nickte Hildie zu, die daraufhin ins Hinterzimmer schlüpfte.
Martine sammelte die Runensteine ein und legte sie in den Beutel. Sie zögerte, setzte sich dann aber im Schneidersitz auf den Vorleger und warf erneut die Steine. Alle landeten mit der Stirnseite nach unten. Martine machte sich nicht die Mühe, sie umzudrehen, sondern sammelte sie einfach ein, warf sie in den Beutel und langte hinein, um abermals fünf herauszuholen. Sie wirkte sehr ruhig.
Ash wandte seine Aufmerksamkeit von ihr ab. Es klopfte aufs Neue, dieses Mal lauter.
»Heda, Steinedeuterin!«, rief eine tiefe Stimme. Eine Hand machte sich an der Türverriegelung zu schaffen und rüttelte ungeduldig daran.
Schlechte Ausbildung , dachte Ash und lauschte angestrengt auf Geräusche aus dem Hinterzimmer. Dann hörte er das gedämpfte Kratzen von Stiefeln auf dem Dach. Und auf dem Balkon. Mit einem leisen Pfiff bedeutete er Hildie, wachsam zu sein, trat an die Treppe und drückte sich flach gegen die Wand, damit man ihn von oben nicht würde sehen können.
Das Rütteln am Türriegel wurde lauter. Bei jedem Ruck hob sich der Riegel ein wenig. Bald würde der Keil, den Hildie hineingezwängt hatte, aus dem Spalt herausspringen. Ash wollte Martine noch etwas zurufen, aber es war schon zu spät. Auf der Treppe waren fast unhörbare, rasche Schritte zu vernehmen.
Am Fuß der Treppe zögerte der Mann und schaute durch die Tür dorthin, wo Martine saß und mit gesenktem Kopf die Steine deutete. Die Männer auf der Straße bewegten den Türriegel so fest hin und her, wie sie konnten. Ash wusste, was der Mann an der Treppe überlegte: es sofort tun oder warten, bis die anderen dazugekommen waren?
Ash handelte. Er rammte seine Schulter gegen die des Mannes, sodass dieser der Länge nach auf den Boden fiel. Doch der Mann war flink, rollte sich zur Seite und stand im nächsten Moment wieder mit gezücktem Dolch auf den Beinen. Martine zog sich zur Feuerstelle zurück, hinter ihrem Rock einen Dolch mit weißem Griff umklammernd. In der anderen Hand hielt sie den Beutel, offenbar, um ihn nötigenfalls ins Feuer zu werfen.
Ash spürte, dass sich ihm sämtliche Sinne schärften, wie
immer bei einem Messerkampf. Er blendete alles aus, außer der Klinge des anderen und dessen Brustmuskeln, an denen sich seine Bewegung zuerst zeigen würde, und die Stellung seiner Füße. In diesem Spannungskreis herrschte eine sonderbare Stille. »Schau ihm nicht ins Gesicht«, hörte er Doronits Stimme in seinem Kopf. »Greife erst an, wenn du bereit bist zu töten. Wenn du nicht dazu bereit bist, kämpfe nicht mit einem Messer.«
Auch dieser Mann ging vorsichtig vor, musste jedoch lediglich warten, bis die anderen den Türriegel aufbrachen. Ash musste schnell handeln. Er täuschte rechts an, ging in die Knie und stieß in dem Moment, als der andere Anstalten machte, ihn abzuwehren, nach oben zu. Der Dolch drang dem Mann unter den Rippen ein. Doronit hatte ihm die Stelle gezeigt, hatte sie ihm mit ihrem Finger auf seiner nackten Haut aufgezeichnet.
Der Riegel brach
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