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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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Platz.
    Seine Mutter hatte ihn gelehrt, niemals einen Geist zum Reden zu nötigen, wenn es nicht absolut notwendig war. Aber an diesem Abend scherte er sich nicht darum. Er trat der Menge der blassen Gestalten entgegen und hob die Arme hoch. Er spürte, wie ihn die Macht, sie zum Reden zu bringen, durchströmte. So hatte er sie noch nie wahrgenommen; es war, als hämmerten tausend Trommeln zugleich, wie das Krachen der Wellen unter ihm auf die Felsen, donnernd, überwältigend.
    » Redet!« , beschwor er sie. » Redet .«
    Sofort ging ein großes Wehklagen von ihnen aus. Es war das seltsamste Geräusch, das er je gehört hatte, denn es kam aus tausend Mündern, von denen jeder das gleiche Geräusch von sich gab: tot, schrill, rau wie Stein auf Stein, es war ein Schrei des Schmerzes. Es folgte Stille, während der jeder Geist begriff, dass er einen echten Laut von sich gegeben hatte, dass seine Schreie nicht länger stumm waren.
    »Redet«, beschwor er sie erneut und hasste in diesem Augenblick alles und alle, auch sich selbst, hätte zurückschlagen wollen, hätte gewollt, dass die Geister seinen eigenen Unwillen herausschrien. »Redet die ganze Nacht lang!«
    Erneut heulten die Geister auf. Dann wandten sie sich der Stadt zu und gingen. Erst langsam, dann schneller. Mit einem kalten Windzug huschten sie an ihm vorbei, und während sie schneller wurden, gaben sie immer wieder in verschiedenen Tonlagen ein gellendes Wehklagen von sich. Es war ein Laut der Verzweiflung.

    Ash sank nieder und umklammerte seine Knie. Er lachte hysterisch, um nicht zu weinen. Er fühlte sich betrunken, verrückt, verloren.
    »Ha!«, sagte er. »Vielleicht hätte ich das nicht tun sollen.« Und obwohl er wusste, dass seine Stimme schrill klang, stimmte er störrisch Fly Away Spirit an.

Bramble
    In meinem nächsten Leben werde ich die Götter dazu bewegen, mich zu einem großen blonden Mann zu machen, dachte Bramble. Richtig groß. Richtig blond. Vielleicht auch richtig dumm. Große, blonde und dumme Männer scheinen hier in der Gegend eine gute Zeit zu haben.
    Die vier großen, blonden und möglicherweise auch dummen Männer, die mitten auf der Straße standen und sie nicht vorbeiließen, hatten zweifellos ihr Vergnügen. Und sie gefielen sich darin, sie anzupöbeln.
    »Zeig uns deine Zitzen!«, war der Lieblingsspruch des Jüngsten und Dünnsten. Seine großen Brüder - oder durch Inzucht erzeugten Cousins - hatten andere Vorstellungen.
    »Bei den Göttern, ich liebe es, wenn Wandererschlampen es mir besorgen!«, sagte der Älteste grinsend.
    Die beiden anderen kicherten.
    »Steig schon ab, du Schlampe, dann zeigen wir dir mal, was richtige Männer sind.«
    »Warte mal, bis du meine Wurst zu kosten bekommst, Mädchen!«
    »Nee, nimm nicht ihn, versuch es lieber mit mir!«
    »Sie soll uns alle und ihren Spaß dabei haben«, sagte der Älteste.
    Die anderen hatten bloß Witze gemacht, er aber meinte es ernst. Sein Blick blieb fest auf ihr Gesicht geheftet; er
wartete darauf, dass sich Furcht darauf zeigte. Ein Teil von ihr fragte sich, was es für eine Rolle spielte. Sie war ja ohnehin tot. Aber eine andere Stimme, tief in ihr, erwiderte: Er kann warten, bis er schwarz wird . Der Gedanke und das Gefühl rissen den Nebel auf, in den sie geraten war, und schärften ihre Sinne.
    »Hol sie runter, Than. Pack zuerst das Zaumzeug.« Er schob den Jüngsten nach vorn.
    Der Junge, nicht älter als fünfzehn, zögerte. »Sie hat gar kein Zaumzeug, Cal.«
    Sie blinzelten, waren einen Augenblick lang unschlüssig. Bramble trieb dem Rotschimmel die Hacken in die Flanken, und sie stoben nach vorn. Cal grabschte nach ihr, doch sie trat ihm seitlich gegen die Schläfe. Fast wäre sie abgeworfen worden, als der Rotschimmel mit beiden Hinterläufen ausschlug, um zwei weitere Gegner umzuwerfen. Er ist kampferprobt , dachte sie, und ein Schauer lief ihr über den Rücken. Dann waren sie an ihnen vorbei und galoppierten davon. Unter Fluchen und Verwünschungen rappelten sich die Männer hinter ihr auf.
    Sie verlangsamte den Rotschimmel, hielt ihn jedoch in einem leichten Galopp, bis sie zwei weitere Dörfer passiert hatten. Beim nächsten Wasserlauf ließ sie ihn trinken. Damit er sich abkühlen konnte, ließ sie ihn in der Folge im Schritt gehen, wobei auch ihr eigenes Zittern verebbte.
    So etwas hatte sie nicht erwartet. Oh, von Leuten des Kriegsherrn natürlich schon. Aber nicht von einfachen Leuten. Diese großen Bauerntrampel waren genau wie die Jungen

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