Die Prophezeiung des Adlers
gehen.«
»Ah ja?« Vespasian runzelte die Stirn. »Warum denn nicht?«
»Es ist wegen diesen Bergen, Herr. Cato und ich sind mit Müh und Not mit ihnen fertiggeworden. Diese Marineinfanteristen sind brave Burschen, aber das Marschieren ist nicht gerade ihre Stärke, und dieses Gelände wird sie umbringen, Herr. Selbst wenn sie es über den Gipfel schafften, würden sie viel zu lange dafür brauchen und wären zu müde für den Kampf, wenn sie schließlich beim Feind einträfen.« Er begegnete dem Blick seines Vorgesetzten und sah, dass Vespasian durch seinen Einwand verstimmt wirkte. »Tut mir leid, Herr. So sehe ich es nun mal.«
»Na gut«, erwiderte Vespasian widerwillig. »Dann müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen … etwas, das uns in ihre Nähe bringt, bevor sie bemerken, dass sie angegriffen werden … eine Art Trojanisches Pferd.«
Macro blies die Wangen auf, und Vespasian lachte über seine Miene. »Hast du ein Problem mit griechischer Mythologie, Centurio?«
»Nicht, solange sie in den Büchern bleibt, Herr.«
»Dann magst du wohl keine Bücher?«
»Nein, Herr. Ich höre auch so schon genug Geschichten von den anderen Dienstgraden.«
»Nun, vielleicht solltest du ein wenig mehr lesen, Centurio. Nichts ist besser geeignet, den Horizont zu erweitern und die Fantasie anzuregen.«
Macro zuckte mit den Schultern. »Wenn du es sagst, Herr. Aber ich glaube, wir haben eigentlich nicht genug Zeit, ein hölzernes Pferd zusammenzuzimmern. Außerdem ist da noch das Transportproblem. Wenn es für eine annehmbar große Truppe ausreichen soll, wird es verdammt schwierig werden, es an Bord eines Schiffes zu bringen – selbst dieser mächtigen Quinquireme hier.«
Vespasian musterte Macro beim Erläutern seiner Zweifel interessiert. Als der Centurio geendet hatte, konnte der Präfekt ein Lächeln nicht unterdrücken.
»Was habe ich denn gesagt, Herr?« Macro blickte gekränkt drein. »Ich glaube eben einfach nicht, dass es funktioniert, Herr. Wie gut die Idee auch sein mag«, fügte er rasch hinzu. »Außerdem ist das die Art von billigem Trick, zu dem nur die Griechen greifen würden.«
»Manchmal haben selbst die Griechen etwas richtig gemacht, Centurio … Aber nein. Du hast ganz recht. Es würde nicht funktionieren. Wir müssen etwas anderes versuchen.«
Macro nickte glücklich, froh, dass sein Kommandant zur Einsicht gekommen war. Das war der Nachteil der kreativen Intelligenz von Leuten wie Vespasian und Cato. Gelegentlich lief die Fantasie mit ihnen davon und musste dann durch ein väterliches Wort schlichterer Gemüter gezügelt werden.
Vespasian warf einen letzten Blick auf die Karte und nickte leicht, bevor er Macros Blick wiederbegegnete, diesmal mit einem durchtriebenen Funkeln in den Augen. »Nun gut. Dann also kein Trojanisches Pferd. Aber ein Trojanischer Wal.«
Macro erschrak. Was um alles in der Welt hatte Vespasian denn jetzt im Sinn?
»Diese beiden Piratenschiffe, die du und Centurio Cato vor ein paar Nächten gekapert habt … «
»Was ist mit denen, Herr?«
»Ich glaube, es wird Zeit, dass wir sie einsetzen.«
KAPITEL 35
C aius Caelius Secundus wachte kurz nach Sonnenuntergang auf und blickte sich nervös um. Dann überflutete ihn die Erinnerung an die Rettung durch den römischen Centurio mit einer Woge von Bildern und Gefühlen. Unmittelbar über ihm befand sich der Überrest des Hüttendachs. Er nahm einen Umhang, der neben seinem Lager zurückgelassen worden war, und legte ihn sich um seine mageren Schultern. Mit einem Ächzen stand Secundus auf und ging gebückt zum Eingang der Hütte. Er verharrte einen Augenblick, schob dann vorsich tig den Ledervor hang zur Seite und spähte hinaus. Ein kleines Stück entfernt fiel der sanfte Widerschein der Glut von der Feuerstelle auf das Gesicht von Centurio Cato. Sie hatten nach dem Hinterhalt kurz miteinander gesprochen, als Cato ihn über das Gipfelplateau zur Hütte geführt hatte. Secundus war von der langen Wanderung den Berg hinauf erschöpft gewesen, und seine plötzliche Befreiung aus der Gefangenschaft hatte ihn gefühlsmäßig überwältigt. Der Zorn über die monatelange Entwürdigung und das Leiden war in einem Augenblick der Raserei explodiert, und er hatte den Kopf des Piraten zertrümmert. Danach hatte er sich benommen und ausgelaugt gefühlt, während Cato versucht hatte, es ihm bequem zu machen, damit er sich ausruhen konnte.
Nun merkte der junge Offizier, dass er beobachtet wurde, blickte auf und lächelte
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