Die Prophezeiung des Adlers
vorbeilief. Cato wusste, wenn er jetzt losrannte, würde er in der Menschenmenge auffallen. Er holte tief Luft und mischte sich unter die Passanten, schlängelte sich schräg über die Straße von der Treppe weg zu einer Lücke in der Reihe der Läden gegenüber, wo eine kleine Seitenstraße zum Forum verlief. Hinter sich hörte er das Klappern der Stiefel auf der Treppe, aber er zwang sich mit eiserner Willenskraft, sich nicht umzudrehen und hinzuschauen, sondern stetig auf die Seitenstraße zuzugehen. Wenn ihm Leute in die Quere kamen oder gegen ihn stießen, verweigerte Cato den Blickkontakt und ging einfach weiter. Dabei wartete er die ganze Zeit auf einen Ruf von hinten, der sein Schicksal besiegeln würde. Endlich erreichte er die Straßenecke und schlüpfte in die schmale Gasse, wo er kurz stehen blieb, um einen Blick nach hinten auf den Circus Maximus zu werfen. Vier Prätorianer standen ein paar Stufen über der Straße und spähten in die Menge, aber keiner blickte in seine Richtung.
CatoeiltedurchdieGasse,diezudenälterenStraßenderStadtgehörteundsichdenHanghinunterwand.Siewurdeimmerschmaler,bisderHimmelüberdenDachkantenderengstehendenMietshäuser,diezubeidenSeitenaufragten,nurnochalsZickzackliniezuerkennenwar.HinterihmverhallteallmählichdasGebrüllderriesigenMenschenmengeinderArena.DieGassewargeschwängertvomekligenGestankfauligerAbfälleundAbwässer.UnterwegskamernuranwenigenMenschenvorbei.EinpaarmürrischdreinblickendeFrauenbeobachtetenihnausoffenenHauseingängen,undermusstesichaneinemkleinenHaufenbetrunkenerJugendlichervorbeidrängen,dieaufdemWegdenBerghinaufzumCircusMaximuswaren.InderdüsterenGassefehltenCatoalleOrientierungspunkte,erhattedazunurdieNeigungdesHangszurVerfügungundkanntedieungefähreRichtung,indieergehenmusste.DannendlichbogerumeineEcke,unddieGasseführteaufeinebreitere,vonPassantenbevölkerteStraße.LinkslagdasForum,undCatowandtesichmiteinemtiefenAtemzugdorthin.ErschlugeinengleichmäßigenSchrittanundversuchte,nichtwiedererbärmlicheFlüchtlingauszusehen,derergewordenwar.
Er fand die Taverne mühelos und setzte sich hinein, dicht bei der Wand, sodass er die Passanten draußen beobachten, sich aber in den Schatten zurücklehnen konnte, wenn er einem suchenden Blick ausweichen musste. Sich die Hände an einem schmuddeligen Lumpen abwischend, kam der junge Kellner herbei. Wiedererkennen flackerte in seinem Gesicht auf, und er lächelte.
»Dann bist du also doch nicht zu den Wagenrennen gegangen?«
»Doch«, antwortete Cato rasch, bevor ihm klar wurde, dass seine verfrühte Rückkehr von der Arena verdächtig wirken musste, wenn er sie nicht erklären konnte. »Aber dann ist mir eingefallen, dass ich hier jemanden treffen sollte. Mein Freund kommt später nach.«
»Ah ja.« Der Kellner zuckte mit den Schultern. »Na ja, das ist schade. Was möchtest du trinken?«
»Trinken?«
»Das hier ist eine Taverne, mein Freund, kein Warteraum.«
»Dann also einen Becher Wein. Heißen Wein.«
»Nur einen Becher?«
»Mehr möchte ich vorläufig nicht.«
»In Ordnung.« Der Kellner warf den Lumpen über die Schulter und ging zu den großen Weinkrügen, die in den Tresen eingelassen waren. Er kam zurück und stellte einen dampfenden Becher auf Catos Tisch.
»Das macht einen Sesterz.«
Mit einem elenden Gefühl begriff Cato, dass Macro ihr ganzes Geld in Gewahrsam hatte, und der war ja noch in der Arena. Er blickte zum Kellner. »Schreib an. Ich bezahle, wenn mein Freund kommt.«
Der Kellner schüttelte den Kopf. »Bei uns wird nicht angeschrieben. So hält es das Haus eben. Du bezahlst sofort.«
Cato räusperte sich und starrte den jungen Kellner finster an. Er senkte die Stimme zu einem rauen Knurren. »Ich habe gesagt, dass ich später zahle. Und jetzt lass mich in Ruhe.«
Der Kellner wollte widersprechen. Cato lehnte sich gegen die Wand zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und nickte zum hinteren Bereich der Taverne hinüber. Der Kellner musterte ihn kalt und ging dann hinter den Tresen, um Becher abzuspülen und seinen schwierigen Gast im Auge zu behalten.
Cato wandte den Blick zu den Passanten auf dem Forum und wartete. Hoffentlich würde Macro gleich nach dem ersten Rennen zu ihm kommen, falls Nepos gewonnen hatte. Dann würde er seinen Gewinn einstreichen und sich zum Forum begeben. Eine Stunde verging, und der Becher vor Cato war schon lange leer. Er wagte nicht, einen neuen zu bestellen, denn Macro würde ja vielleicht nicht auftauchen. Allmählich machte er sich
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