Die Prophezeiung des Adlers
hast mich überzeugt. Wie immer sind dein guter G-g-geschmack und dein Urteilsvermögen die perfekte Ergänzung zu meinem Genie.«
»Caesar.« Narcissus verbeugte sich tief. »Dein Lob ist unverdient. Kein Sterblicher mit einem Funken literarischem Feingefühl kann übersehen, durch welch göttliche Brillanz sich deine Fähigkeit zur Wahrnehmung und Beschreibung auszeichnet.«
Claudius strahlte und umfing dankbar Narcissus’ Arm, erstarrte dann aber, als er Macro auf seiner Bank dösen sah. »Ich bezweifle irgendwie, dass dieser Kerl deine Sicht der Dinge teilt.«
Narcissus starrte wütend in die Nische und blaffte einen Befehl. »Stellt diesen Trottel hin!«
Zwei Prätorianer nahmen jeder einen Arm und zerrten Macro hoch. Der schlug verschlafen die Augen auf. »Was? Was? Oh … «
Beim Anblick des Kaisers war er sofort hellwach und stand kerzengerade wie eine Marmorsäule da.
Claudius humpelte zu ihm und musterte den Centurio scharf.
»Ist das einer der Männer, von denen du mir erzählt hast, Narcissus?«
»Jawohl, Caesar.«
»Kein sonderlich eindrucksvolles E-e-exemplar, das muss ich sagen. Aber er sieht wie die Sorte Mann aus, die wir opfern können, ohne dass es uns den Schlaf raubt.«
»Jawohl, Caesar. Auch hier hast du wieder meine Gedanken erraten.«
Claudius wandte sich mit überraschter Miene Cato zu. »Und dieser da, dieser Junge? Der ist doch gewiss nicht der andere Offizier, den du erwähnt hattest? Also, d-d-der sieht ja nicht einmal alt genug aus, um sich zu rasieren.«
Narcissus lachte gezwungen, doch als sein Sekretär es ihm nachtat, drehte sich der Kaiser mit finsterer Miene zu ihm um. »Keiner hat dich gebeten mitzulachen.«
Der Sekretär erstarrte und senkte mit bleicher Miene den Blick.
»Das ist schon besser.« Der Kaiser wandte sich wieder um und setzte seine Musterung der beiden Centurionen fort. »Du wirst wohl wissen, was du tust, Narcissus. Jene andere Angelegenheit, von der wir geredet haben, ist heikel. Bist du dir sicher, dass diese beiden Männer der Aufgabe gewachsen sind?«
»Wenn sie es nicht sind, dann ist es keiner, Caesar.«
»Nun schön … Ich sehe dich beim Abendessen.«
»Caesar.« Narcissus verbeugte sich erneut, und ebenso die Prätorianer, sein Sekretär und die beiden Centurionen. Sie hielten die Köpfe gesenkt, während Claudius durch den Korridor davonschlurfte und in einem Seitengang verschwand. Sobald der Kaiser außer Sicht war, stießen alle nach der Anspannung einen erleichterten Seufzer aus. Macro kam sich vor, als wäre er nur um Haaresbreite der sofortigen Hinrichtung entgangen, und sein Herz hämmerte laut.
Narcissus warf einen Blick auf die beiden Centurionen und blaffte einen Befehl. »Bringt sie herein!«
Er machte auf dem Absatz kehrt und schritt in sein Büro zurück, während Cato und Macro ihre Tragestangen aufnahmen und von den Wachleuten durch die hohe Tür hineingeleitet wurden.
Der Raum war riesig. Die Decke war hier ebenso hoch wie im Korridor, und der Boden war mit Tierhäuten bedeckt, durch die die Wärme des Hypokaustums nach oben steigen konnte. Die rechte Wand bestand aus wabenförmigen Regalfächern für Schriftrollen und Bücher. Links war die Wand mit dem detailreichen Gemälde einer riesigen Bucht geschmückt, die sich in der Ferne in einem sanften Nebel verlor. Den Küstenstreifen überragte ein hoher Berg, vor dem die Städte an seinem Fuß zwergenhaft wirkten. An der hinteren Wand öffneten sich vier große Fenster mit einer spektakulären Sicht auf das Forum und die dicht besiedelten Hänge der Subura dahinter. Narcissus hatte sein Büro durchquert und sich hinter einen Eichenholzschreibtisch gesetzt, dessen Größe dem Raum angemessen war, wenn auch nicht den Unterlagen, die sich darauf türmten. Der Kaiserliche Sekretär bemerkte die bewundernden Blicke der beiden Centurionen, die auf die Stadt hinausschauten, fasziniert, so viel davon auf einmal zu sehen.
»Eindrucksvoll, nicht wahr?«, fragte er lächelnd. »Das ist das Erste, was den Besuchern dieses Büros ins Auge springt. Ich finde den Anblick inspirierend und gleichzeitig erschreckend. Sogar Furcht einflößend.«
Er wandte sich von Cato und Macro ab, um aus dem Fenster zu schauen, und fuhr im selben nachdenklichen Tonfall fort: »Von hier aus wird das Imperium regiert. Von diesem Palast aus. Der Palast ist der Kopf, der den Muskeln und Sehnen des Imperiums gebietet. Dort unten im Forum sieht man den öffentlichen Ausdruck dieser Macht. Die prachtvollen
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