Die Prophezeiung von Tandoran - Verwundete Welt - Yoga/Fantasy-Roman: 1 (German Edition)
gehen. Von mir aus können wir weiter.“
„Also los.“ Callum schnappte sich den Rucksack von Ten. Die Armbrust war verloren gegangen. Rhodon bot Ten seine Schulter zur Stütze an. So schritten sie voran ins Dunkle.
Zu ihrer Erleichterung verlief der Weg durch den Berg von jetzt an abwärts. Sie durchquerten weitläufige Räume, die offensichtlich vom Abbau der Erze herrührten. Hin und wieder zeugte ein verrosteter Helm von der früheren Arbeit der Menschen.
Nach einigen Stunden und mehreren angstvoll durcheilten Freigängen erreichten die Reisegefährten ein Felsplateau, welches das Ende ihrer Bergdurchquerung markierte. Callum steckte die Karte in seinen Rucksack und trat an den Rand der Freifläche.
„Bei allen guten Geistern ...“ Callum duckte sich rasch hinter einen großen Felsen und wedelte mit den Armen, dass sich die anderen verstecken sollten. Jason robbte an ihn heran und sah, was seinen Lehrer so erschreckt hatte.
Vor ihnen lag ganz eindeutig die Ringstätte. Eine riesige Fläche wurde mit konzentrischen Kreisen aus grob gehauenen Felsblöcken ausgefüllt. Dichter Urwald umschloss zur Hälfte die dem Himmel geöffnete Ebene. Auf der anderen Seite begrenzte die zerklüftete Felslandschaft, aus der sie soeben aufgetaucht waren, das Rund.
Der Schrecken von Callum rührte daher, was sich dort unten tummelte: Ingadi. Die gesamte Ebene war bevölkert von einer Ansammlung Ingadi.
Tad-abhâvât samyogâbhâvo hânam tad drisheh kaivalyam
Aber durch das Beseitigen der Unwissenheit … ist der Sehende befreit.
Patanjali, Yoga-Sutren, Teil 1, Sutre 25
6.2 Pendetron
Jason verkrampfte der Brustkorb beim Anblick der filigranen und doch Ehrfurcht einflößenden Ingadiwesen. Größtenteils standen sie auf den kreisförmig angeordneten Felsbänken und lauschten dem Vortrag eines Ingadis in der Mitte des Platzes. Bis hier oben herauf drang der melodiöse Singsang des Sprechers, einzelne Worte konnten sie nicht verstehen. Andere Flügelwesen schwebten in der Luft und unterhielten sich in kleinen Gruppen.
Eine flexible Haut zwischen Armen und Rumpf bildete die Hauptflügel der Ingadi. Die meisten trugen Tuniken in unterschiedlichsten Formen und Farben, die an der Seite über offene Schlitze für die Flügel verfügten. An den Beinen besaßen sie Hautplatten, die sie im Flug ausklappten. Die menschenähnlichen Wesen waren ausgesprochen dünn, auf der Erde kannte Jason solch dürre Körper nur von Abbildungen aus Hungergebieten. Viele hatten eine braungrüne Haut, Jason sah aber auch dunkelgelbe und schiefergraue Flugmenschen. Dunkle Maserungen überzogen die schlanken, überlangen Leiber, besonders auf den Flügeln. Ihre Köpfe waren ebenfalls schmaler und höher als beim Menschen.
„Da kommen wir nie durch.“ Ten war an Jasons Seite gerobbt und musterte wesentlich gelassener den Anblick, der sich ihnen bot. Für ihn waren die Ingadi etwas Alltägliches, hundertmal hatte er die Wesen durch die Luft fliegen gesehen.
Mit flüsternder Stimme erläuterte er: „Die Ingadi können per Limar ein Schutzfeld um sich herum schaffen und den ganzen Tag aufrechterhalten. Ihre Kräfte sind denen der Menschen weit überlegen, sie blasen dich mit ihrem Limar einfach weg. Ihre Pfeile sind aus Tharidium gefertigt und schlagen sogar in Sinithpanzerungen ein.“ Eindringlich schaute er Jason an. „Wenn sie uns hier sehen, sind wir sofort tot. Wir scheinen auf heiligstem Boden zu stehen, diese Ringstätte muss das sagenumwobene Raskalnar sein - Versammlungsort und mystische Gebetsstätte der Ingadi in einem. Kein Mensch wusste bisher, wo dieser Ort liegt. Sie glauben an eine Religion des Kreislaufes, daher die Ringe dort unten. Bei allen wichtigen Fragen ...“
Eine krächzende Stimme unterbrach seine Ausführungen: „Na, wen haben wir denn hier? Einen Zwerg, einen Erdling ... wenn das mal nicht die Menschen aus der Weissagung sind.“
Alle sechs drehten sich blitzartig um und sahen mit ängstlichem Schrecken einen Ingadi hinter sich aufragen. Er musste sich angeschlichen haben und stand nun direkt über der Gruppe, die sich auf das Geschehen auf der unter ihnen liegenden Ebene konzentriert hatte.
Der Ingadi sah uralt aus. Vereinzelte weiße Barthaare sprossen an seinem Mund, seine Haut war von schieferfarbener Mattigkeit. Die Flügel hingen verschrumpelt herab und schienen nicht mehr in der Lage zu sein, seinen Besitzer in die Lüfte zu heben. Er trug eine graue Tunika mit seitlichen Öffnungen. Um die Hüfte
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