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Die Prophezeiung von Umbria

Die Prophezeiung von Umbria

Titel: Die Prophezeiung von Umbria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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wünschte, ich hätte es nicht getan.” Maura wischte sich mit dem Handrücken die Tränen fort. Ein Mann wie Rath verachtete sicher Tränen. “Letzte Nacht hatte ich mich irgendwie an all das gewöhnt. Aber als ich erwachte, stürzte alles aufs Neue über mich herein.”
    “Dann weint, wenn Ihr wollt”, sagte er etwas ungeschickt. Liebenswert ungeschickt. “Ihr habt wahrhaftig Grund dazu. Außerdem können wir nirgendwo hingehen, bevor es nicht dunkel ist.”
    “Sind Gefühle etwas, das Ihr wegpackt, wenn sie Euch stören, und hervorholt, wenn Ihr Zeit dafür habt?”
    “So wie Ihr das sagt, klingt es, als sei es etwas Schlechtes”, meinte er. “Wenn Ihr so lebt wie ich, dann müsst ihr es tun, um zu überleben. Doch wenn es Euch hilft, ich weiß, wie Ihr Euch fühlt.”
    Der ungewohnt mitfühlende Blick seiner dunklen Augen und der Ton, in dem er das sagte, erweckten in Maura eine solche Sehnsucht nach seiner Zuneigung, die ihr schon unheimlich war.
    “Habt Ihr auch einen Menschen geliebt, der ermordet wurde?”
    “Nein.”
    Das hatte sie sich gedacht. “Das Fieber hat Ganny umgebracht, nicht die Echtroi. Eine einfache Seele wie sie war für die Han nicht wichtig genug. Doch tot ist tot.”
    Rath sagte das mit ausdruckslosem Gesicht, doch Maura spürte den Aufruhr hinter der Maske. “Soviel ich weiß, steht ihre elende kleine Hütte noch. Doch ohne sie hätte sie genauso gut niederbrennen können, denn ich konnte nicht bleiben. Und ich glaube, Euch wäre es ebenso ergangen, wenn Langbards Cottage nicht abgebrannt wäre und wir hätten fortgehen müssen.”
    Er hatte Recht. Sie musste ihre Fantasie nicht sehr bemühen, um das zu erkennen. Ob Rath wohl jemals den Luxus eines Friedens gekannt hatte, in dem er solche Gefühle zulassen konnte? Oder hatte er sie dafür schon viel zu tief in seinem Inneren begraben?
    “Eure Großmutter?”, fragte sie.
    Es tat ihr gut zu wissen, dass es jemandem gab, um den er immer noch trauerte.
    “Vielleicht.” Rath sprang auf. “Vielleicht auch nur eine dumme alte Frau, die ein verwaistes Kind bei sich aufnahm.”
    Er ging zu den im Stroh liegenden Bündeln. Das Pony stand daneben und sah aus, als würde es am liebsten nie mehr einen Huf vor den anderen setzen.
    “Hungrig?” Rath kramte aus einem der Packen eines von Sorshas hart gekochten Eiern hervor und drückte es Maura in die Hand.
    Er nahm sich auch noch eins, zerdrückte die Schale in der Faust und schälte es. Dann warf er es in die Luft, fing es mit dem Mund auf und schlang es mit drei Bissen hinunter.
    Maura starrte das Ei in ihrer Hand an. Seit dem Abendessen bei Sorsha waren sie weit gelaufen und hatten den Fluss überquert. Doch sie fühlte sich zu elend, um zu essen.
    “Brot?” Rath nahm eine kleine Scheibe, teilte sie und reichte Maura ein Stück.
    “Wie kamt Ihr eigentlich zu Langbard?”, fragte er. “Ihr nanntet ihn Onkel, doch er sagte, Ihr wäret sein Mündel.”
    “Er nahm meine Mutter bei sich auf, bevor ich geboren wurde. Nachdem sie gestorben war, kümmerte er sich um mich.”
    Maura zwang sich, ihr Ei zu schälen. Heute Nacht und auch in den kommenden Tagen und Nächten würden zweifellos noch weitere lange Märsche vor ihnen liegen. Sie verstand, was er damit meinte, dass man Gefühle verdrängen müsse, um zu überleben. Du darfst sie im Herzen tragen, aber sie dürfen dich nicht am Essen hindern. Und wenn du klar sehen musst, dürfen Tränen deinen Blick nicht trüben.
    Wenn dieses Verhalten dich dann hart und gefühllos erscheinen lässt, dann ist das auch nicht das Schlimmste.
    “Deine Ganny, war sie so wie Langbard?”
    “Nein.” Rath lachte glucksend. Dann schien er nachzudenken. “Auf seltsame Weise vielleicht doch. Sie war nicht so gelehrt wie er. Hat sich nie eine Meile weit von ihrer Hütte entfernt. Besaß auch keine besonderen Fähigkeiten. Nur eine arme, einfache, harmlose, unwissende alte Frau …”
    Er wandte Maura den Rücken zu und starrte auf die Tür des Schuppens. “Eine, die einem undankbaren Bettler ihr letztes Stück Brot gegeben hätte. Mach das einmal zu viel, und du wirst krank und stirbst.”
    Maura verstand. “Sie folgte den Alten Wegen, meinst du? Sie glaubte an den Allgeber?”
    Rath spuckte ins Stroh. “Ja. An den Allgeber und den Wartenden König und all die anderen närrischen Geschichten. Murmelte immer dumme Segen über das Essen, das so schlecht war, dass es keine Segnung verdiente.”
    Es ärgerte Maura, dass Rath den Allgeber und den

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