Die Prophezeiung von Umbria
Wartenden König verhöhnte, doch sie sah auch die Verletztheit und das Leid hinter seiner Bitterkeit. Ihr Glauben an das Gute und die Weiße Magie war durch Langbards stetige liebevolle Gegenwart genährt worden. Sie hatte Raths Ängste nie kennenlernen müssen.
“Es tut mir leid.”
“Das muss es nicht. Ich habe früh genug gelernt, für mich selbst zu sorgen.”
Er schien das Gespräch nicht fortführen zu wollen. “Ich frage mich, wie spät es wohl ist. Ich sollte mal nach der Sonne sehen.”
Damit schwang er sich hoch und ging zur Tür.
“Soll ich Euch unsichtbar machen?”, rief Maura hinter ihm her.
“Spart Euch Eure Federn auf. Ich hörte, wie Langbard sagte, dass sie nicht leicht zu beschaffen wären. Irgendwann brauchen wir sie vielleicht nötiger. Ich will mich lieber auf mein Geschick verlassen.”
Damit verließ er den Schuppen und ließ Maura mit ihren Gedanken allein. Sie misstraute diesem seltsamen Gefühl der Zuneigung, das langsam in ihrem Herzen aufkeimte, genau so, wie er den Alten Wegen und der Magie misstraute. Wachsamkeit und Feindschaft waren der weitaus sicherere Weg.
Seit Jahren habe ich nicht mehr an die alte Ganny gedacht, überlegte Rath, während er, Maura und das Pony ihre Reise in der folgenden Nacht fortsetzten. Zumindest nicht
oft
. Und er hatte noch nie mit jemandem über sie gesprochen. Er hatte auch nicht vorgehabt, Maura von ihr zu erzählen. Die Worte waren einfach von selbst gekommen. Er musste lernen, seine Zunge besser im Zaum zu halten.
Was hatte nur diese alten, nutzlosen Erinnerungen geweckt?
Ohne Zweifel dieser Zauberer und sein Mündel mit all ihrem Gerede über die Alten Wege. Und diese dummen kleinen Rituale, die er mit aller Macht vergessen wollte. Vielleicht auch Langbards Tod und Maura, die auf eine Art getrauert hatte, die ihm selbst fremd war.
Rath warf einen Blick auf sie, wie sie im Mondlicht in Gedanken versunken neben ihm her ging. Gegen seinen Willen empfand er Respekt vor ihr. Sie tat, was getan werden musste, ohne ihren tiefen Kummer zu verbergen.
In einem Moment erweckte sie seine Sympathie und im nächsten machte sie ihn schon wieder ärgerlich. Auf jeden Fall nahm sie viel zu sehr seine Aufmerksamkeit gefangen.
“Könnt Ihr ein Kaninchen fangen?”, fragte Maura.
“Natürlich”, knurrte Rath. “Ich habe die meiste Zeit meines Lebens von nichts anderem als Fisch und Kleinwild gelebt.”
“Gut”, erwiderte Maura. “Dann könnt Ihr ja, wenn wir am Morgen das Lager aufschlagen, ein oder zwei Schlingen legen, oder? Das Essen, das Sorsha uns mitgegeben hat, ist bald zu Ende, und ich möchte die getrockneten Vorräte aufheben, bis wir nichts anderes mehr haben.”
“Das hört sich ja an, als ob wir bis hinter die große südliche Wüste reisen müssten. Wir sollten nicht mehr als drei Wochen brauchen, um Prum zu erreichen, außer, wir brechen uns die Beine oder der Bursche da haut ab.” Er klopfte dem Pony seinen runden Bauch.
“Außerdem”, fuhr er nach einer Weile fort, “sind wir schon eine ganze Strecke von der Windle entfernt, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass wir verfolgt werden. Ich denke, wenn wir uns morgen erst einmal ausgeruht haben, können wir unsere Reise ruhig bei Tag fortsetzen. Dann wird es schneller gehen.”
Maura brauchte einige Zeit, bis sie antwortete. “Ich denke trotzdem, dass es sinnvoll wäre, so lange wie möglich von dem zu leben, was das Land uns gibt. Wie Ihr gesagt habt: Es ist immer besser, mehrere Fluchtmöglichkeiten zu haben.”
Rath konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass es noch einen anderen Grund gab, weswegen sie ihre Vorräte schonen wollte. Oder war er zu misstrauisch?
Er lachte, zum Teil über dieses Mädchen, zum Teil über sich selbst. “Ihr hört Euch mehr und mehr wie ein Gesetzloser an, werte Dame. Ich sollte Euch so schnell wie möglich zu Eurer alten Tante bringen, bevor Ihr völlig verdorben seid.”
Doch während er das sagte, schienen seine Füße von selbst langsamer zu gehen, als wollten sie die Trennung hinauszögern.
9. KAPITEL
“K önnten wir Rast machen?” Es war das erste Mal, dass sie bei Tag wanderten. Mauras Blick verweilte auf dem kleinen See, an dem sie gerade entlanggingen. “Es sieht hier so schön und friedlich aus.”
Hohes Schilf schwankte leicht in der frischen Brise, und die Strahlen der Frühlingssonne tanzten auf dem Wasser zwischen den breiten grünen Blättern der Seerosen. Maura war von der Schönheit des Ortes wie
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