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Die Prophezeiung von Umbria

Die Prophezeiung von Umbria

Titel: Die Prophezeiung von Umbria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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Eine eng sitzende schwarze Kapuze bedeckte den Kopf und den oberen Teil seines Gesichtes. Hinter zwei Sehschlitzen bewegten sich ruhelose Augen. Der untere Teil seines Gesichts war unnatürlich bleich, die Haut saß straff über den Knochen. Der Mund war schmal und grausam.
    In der behandschuhten Hand hielt er einen Stab aus poliertem Kupfer, an dessen Spitze ein Glutstein funkelte. Während er sich über die wimmernde Frau beugte, stieß er ihr die Spitze des Stabes unters Kinn und zwang sie, ihn anzublicken.
    Maura konnte das nicht länger mit ansehen. Gristel Maldwin war zwar eine mürrische, misslaunige Person, und sie war nicht gut zu Exilda gewesen. Es widerstrebte Maura, sich wegen ihr in Gefahr zu begeben, und sie bezweifelte, ob Gristel, wenn sie an ihrer Stelle gewesen wäre, auch nur den kleinen Finger für sie gerührt hätte. Außerdem war sie sich ziemlich sicher, dass Gristel es dem Echtroi schon längst erzählt hätte, wenn sie wirklich etwas über die Karte wusste.
    Und trotzdem konnte Maura die Frau genauso wenig ihrem Schicksal überlassen, wie sie Rath hatte im Stich lassen können.
    Leise kroch sie den Ast entlang zurück, bis sie wieder den Stamm erreichte. Ihre Gedanken überstürzten sich. Die schwindenden Vorräte in ihrem Schultergurt waren armselige Waffen gegen die bösartigen Kräfte des Echtroi und seines Kupferstabs.
    Doch sie waren alles, was sie hatte. Also musste sie einen Weg finden, sie klug einzusetzen. Und zwar bald.
    Jeden Augenblick konnte der Magier des Todes den Entschluss fassen, seinem Opfer eine stärkere Kostprobe von der verderblichen Kraft des Glutsteins zu geben. Vielleicht würde er Gristel auch in die Garnison bringen lassen, um sie dort noch eindringlicher zu verhören. Jetzt war also die beste Gelegenheit einzugreifen, jetzt, wo sie noch im Haus waren.
    Aber wie eingreifen?
    Während Maura nachdachte, schweifte ihr Blick prüfend über das Haus. Schließlich blieb er am Kamin hängen, aus dem eine kleine Rauchfahne aufstieg. Hatte Langbard ihr nicht einmal eine Geschichte von einer Zauberin erzählt, die magische Geschenke durch einen Schornstein fallen ließ?
    Nun, sie hatte solch ein Geschenk für die Han!
    Dicht am Stamm begann Maura, von Ast zu Ast höher zu klettern, während erneut Gristels Schmerzensschreie an ihr Ohr drangen. Schließlich war sie in gleicher Höhe mit dem Dach. Einer der Äste reichte bis über den First.
    Sie hoffte, dass er stark genug war, ihr Gewicht zu tragen.
    Es begann dunkel zu werden, und der Wind ließ den Ast hin und her schwingen.
    Dann ließ ein heftiger Windstoß den Baum erzittern, und Maura hörte, wie der Ast unter ihr brach. Mühsam unterdrückte sie einen Angstschrei und schickte ein Stoßgebet zum Allgeber.
    Abrupt wurde ihr Sturz gebremst, und Maura fühlte das solide Dach unter sich, das sie aufgefangen hatte. Erleichtert, aber immer noch mit klopfendem Herzen, kroch sie zum Kamin.
    Laute drangen zu ihr empor. Gristels schrilles Schreien war verstummt. Jetzt war der Magier zu hören, der den Soldaten in der Han-Sprache Befehle zu erteilen schien.
    Maura hielt die Hand mit den Kräutern über den warmen Kamin und murmelte hastig den Schlafzauber. Dann öffnete sie die Hand und die Blättchen des Traumkrauts schwebten den Schornstein hinunter. Auf einmal kamen Maura Zweifel. Was, wenn der Rauch alles wieder aus dem Kamin wehen würde und der ganze Zauber bei den Han nichts anderes als ein leichtes Gähnen bewirkte?
    Sie hatte nichts, womit sie den Schornstein verstopfen konnte, also setzte sie sich kurz entschlossen drauf. Schnell nahm sie noch etwas Lebensblatt und kaute es, während sie leise den Wachzauber sang.
    Das Lebensblatt wirkte sofort und nahm alle Müdigkeit von ihr, die den ganzen Tag auf ihr gelastet hatte. Es machte es ihr aber auch schwer, ruhig auf dem Kamin sitzen zu bleiben. In ihrem Kopf wirbelten Fragen und Pläne durcheinander.
    Sie zwang sich, langsam bis hundert zu zählen. Als sie endlich zu Ende gezählt hatte, zitterte sie fast vor Anspannung.
    Nase und Mund mit einem Zipfel ihres Umhangs schützend, beugte sie sich über die Öffnung und lauschte. Unten war alles still. Jetzt musste sie nur noch wieder heil vom Dach kommen!
    Wegen des nahen Gebirges schien die Sonne hier viel schneller zu verschwinden als in Windleford. Im immer schwächer werdenden Licht konnte sie die Äste nur noch als undeutliche Schatten erkennen.
    Dicht an der Dachrinne entdeckte sie zwei übereinander liegende Äste.

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