Die Prophezeiungen von Celestine
schätze, das muß sie gewesen sein.«
Das Sirren eines Moskitos vor meinem Gesicht riß mich aus dem Schlaf. Ich warf einen Blick auf Julia.
Sie lächelte, als erinnere sie sich gerade an eine lustige Begebenheit. Nach unserem kurzen Stopp waren wir mehrere Stunden schweigend gefahren und hatten unterwegs von dem Proviant gegessen, den Julia für die Reise eingepackt hatte.
»Bist du wach?« fragte Julia.
»Ja«, gab ich zurück. »Wie weit ist es noch bis Iquitos?«
»Bis zur Stadt sind es ungefähr noch dreißig Meilen, aber in ein paar Minuten werden wir am Stewart Inn eintreffen. Das ist eine kleine Herberge, die gleichzeitig als Jagdhütte dient. Der Besitzer ist Engländer und unterstützt das Manuskript.« Wieder lächelte sie. »Er und ich haben hier einige schöne Tage mitein ander verbracht. Wenn nichts
dazwischengekommen ist, müßte er da sein. Ich hoffe, er kann uns bei der Suche nach Wil behilflich sein. Sie hielt am Straßenrand und schaute mich an.
»Wir sollten lieber auf der Karte nachschauen, wo wir sind«, sagte sie. »Bevor wir uns bei Hinton getroffen haben«, fuhr sie fort, »überlegte ich hin und her, wie ich die Neunte
Erkenntnis finden könnte. Dann kam mir Hinton immer wieder in den Sinn. Ich fuhr also zu ihm, und plötzlich bist du aufgetaucht und hast mir erzählt, daß du auf der Suche nach Wil nach Iquitos unterwegs bist. Ich hatte das Gefühl, daß wir beide im Begriff sind, die Neunte Erkenntnis zu finden, und du hattest die Vision, daß sich unsere Wege an einem bestimmten Punkt trennen würden. Das ist doch eine ganze Menge.
Du solltest wissen, daß ich zwischenzeitlich häufiger an Willie Stewart und seine Herberge denken mußte. Irgend etwas wird dort passieren.«
Ich nickte.
Sie fuhr den Wagen zurück auf die Straße, und hinter einer Kurve, etwa zweihundert Meter vor uns, wo die Straße eine scharfe Rechtskurve beschrieb, lag ein zweistöckiges, im viktorianischen Stil erbautes Wohnhaus - Stewart Inn.
Wir fuhren auf einen geschotterten Parkplatz und parkten. Auf der Veranda des Hauses unterhielten sich mehrere Männer. Ich öffnete die Tür des Fahrzeugs und wollte eben aussteigen, als Julia mich an der Schulter berührte.
»Vergiß nicht, daß sich niemand zufällig hier aufhält. Achte auf die Botschaften.«
Ich folgte ihr auf die Veranda. Die Männer, größ-
tenteils gutgekleidete Peruaner, nickten nur, als wir an ihnen vorbei ins Innere des Hauses gin gen. Im großen Foyer angekommen, zeigte Julia auf den Speisesaal und bat mich, an einem der Tische zu warten, bis sie mit dem Besitzer zurückkehren würde.
Ich ließ meinen Blick durch den Raum streifen.
Etwa ein Dutzend Tische waren in zwei Reihen auf-gestellt worden; ich wählte einen, der ungefähr in der Mitte des Raumes stand, und setzte mich mit dem Rücken zur Wand. Nach mir betraten drei Peruaner den Raum und setzten sich an den Tisch gegenüber. Ein einzelner Mann gesellte sich zu uns und wählte einen Tisch, der ungefähr fünf Meter von mir entfernt stand. Er setzte sich ebenfalls. Ich hatte den Eindruck, daß es sich um einen Ausländer möglicherweise einen Europäer, handelte.
Julia kam rein, sah mich und setzte sich mir gegen-
über.
»Der Besitzer ist nicht hier«, sagte sie, »und sein Vertreter hat nichts von Wil gehört.«
»Und was jetzt?« fragte ich.
Sie sah mich an und zuckte mit den Achseln. »Ich weiß auch nicht. Nehmen wir an, daß irgend jemand hier eine Botschaft für uns hat.«
»Wer könnte das sein?«
»Ich weiß noch nicht.«
Sie betrachtete die anderen Anwesenden. »Ich weiß nicht, wer diese Leute sind, doch wenn wir lange genug mit ihnen reden, werden wir herausfinden, daß jeder von ihnen uns etwas zu sagen hat.«
Ich verzog das Gesicht. Sie lehnte sich zu mir über den Tisch. »Merk dir endlich, daß jeder, der uns über den Weg läuft, ein potentieller Botschafter ist. Sonst hätten sie einen anderen Weg eingeschlagen, wären bereits abgereist oder später angekommen. Die bloße Tatsache, daß diese Leute hier sind, hat etwas zu bedeuten.«
Ich sah sie an, immer noch unsicher, ob die Dinge wirklich so einfach lagen.
»Das Manuskript erwähnt einige Zeichen, auf die es zu achten gilt.«
Obwohl ich Julia aufmerksam zuhörte, sah ich mich in dem Raum um und blieb an dem Mann zu meiner Rechten hängen. Er drehte sich im gleichen Moment zu mir um, und als wir uns kurz in die Augen sahen, blickte er schnell wieder auf sein Essen.
Ich senkte meinen Blick
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