Die Prophezeiungen von Celestine
noch eine Sache. Wie ein Mensch den anderen auftanken kann, hast du verstanden. Jetzt wirst du erleben, was passiert, wenn alle Mitglieder einer Gruppe in der Lage sind, auf diese Weise miteinander zu kommunizieren.«
Ich ging hinaus auf die Veranda und setzte mich dort in einen der schmiedeeisernen Stühle. Nach kurzer Zeit gesellte Julia sich zu mir. Ohne viel zu sprechen, hatten wir ein geruhsames Abendessen hinter uns gebracht und uns danach entschlossen, die Abendluft zu genießen. Seit Sanchez sich auf sein Zimmer zurückgezogen hatte, waren drei Stunden vergangen, und wieder war ich ungeduldig. Als Sanchez schließlich zu uns hinauskam und sich setzte, war ich spürbar erleichtert.
»Haben Sie etwas von Wil gehört?« fragte ich.
Während ich sprach, rückte er seinen Stuhl zurecht und achtete sorgfältig darauf, daß er zu jedem von uns den gleichen Abstand hatte.
»Ja«, sagte er schließlich. »Habe ich.«
Er schwieg wieder und schien in Gedanken versunken, deshalb hakte ich nach. »Was genau haben Sie gehört?«
»Ich werde von vorn beginnen«, sagte er. »Als Pater Carl und ich uns auf den Rückweg zur Mission machten, erwarteten uns dort, wie du weißt, Kardinal Sebastian und das Militär. Wir hatten uns bereits auf eine Untersuchung gefaßt gemacht. Doch als wir schließlich eintrafen, waren der Kardmal und die Soldaten gerade Hals über Kopf abgefahren, aufgrund irgendeiner wichtigen Nachricht.
Den ganzen Tag wußten wir nicht, was vorgefallen war, und gestern wurden wir dann von einem gewissen Pater Costous besucht, der dich übrigens zu kennen scheint. Er erklärte, daß Wil James ihn zu uns geschickt hatte. Offenbar hatte Wil sich den Namen unserer Mission gemerkt und wußte, daß Pater Costous' Informationen für uns von Bedeutung waren.
Pater Costous hatte sich entschieden, das Manuskript zu unterstützen.«
»Aus welchem Grund ist der Kardinal so überhastet abgefahren?« fragte ich.
»Um sein Vorhaben schnell zu Ende zu bringen.
Die Botschaft, die er erhielt, besagte nämlich, daß Pater Costous vorhätte, seinen Plan, die Neunte Erkenntnis zu vernichten, publik zu machen.«
»Hat er sie denn gefunden?«
»Noch nicht, doch er steht kurz davor. Man hat in der Zwischenzeit ein weiteres Dokument entdeckt, das auf den Fundort der Neunten hindeutet.«
»Wo soll der sein?« fragte Julia.
»In der Nähe der Ruinen von Celestine«, erwiderte Sanchez.
»Und wo ist das?« erkundigte ich mich.
Julia sah mich an. »Ungefähr sechzig Meilen entfernt von hier. Es handelt sich um eine Ausgra-bungsstätte, die exklusiv von peruanischen Wissenschaftlern freigelegt wurde und um die es bisher viel Geheimniskrämerei gab. Auf mehreren Ebenen
wurden dort uralte Tempelanlagen ausgegraben, aus der Maya-Kultur und der Zeit der Inka. Offenbar waren beide Kulturen der Ansicht, daß es sich bei dem Ort um einen ganz besonderen Platz handelt.«
Ich bemerkte, wie Sanchez sich mit ungewöhn-
licher Intensität auf die Unterhaltung konzentrierte.
Während ich sprach, war er völlig auf mich fixiert, sprach Julia, so verlagerte er seine absolute Aufmerksamkeit auf sie. Dabei schien er ausgesprochen bestimmt und zielstrebig vorzugehen. Ich fragte mich, was genau er machte, und genau in diesem Moment entstand eine Pause in der Unterhaltung. Beide sahen mich erwartungsvoll an.
»Was ist?« fragte ich.
Sanchez lächelte. »Du bist dran.«
»Reden wir immer abwechselnd?« fragte ich.
»Nein«, sagte Julia. »Jeder spricht dann, wenn die Energie sich auf ihn konzentriert. Gerade eben war sie bei dir.«
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte.
»Die bewußte Interaktion innerhalb einer Gruppe ist Teil der Achten Erkenntnis. Aber laß dich nicht entmutigen, versuche statt dessen, den Vorgang zu verstehen«, sagte Pater Sanchez. »Innerhalb einer Gruppe gibt es immer jemanden, der zu einem bestimmten Zeitpunkt die stärkste Idee hat. Sind die Gruppenmitglieder geschult, so bemerken sie, wer als nächstes sprechen wird, und richten ihre Energie auf den Betreffenden, um ihm dabei behilflich zu sein, seine Meinung mit größtmöglicher Klarheit zu formulieren.
Mit dem Fortschreiten der Unterhaltung wird je -
mand anders mit einer starken Idee auf den Plan treten, dann der nächste und so fort. Wenn du dich auf das Gespräch konzentrierst, merkst du, wann die Reihe an dir ist. Dann wird sich meistens auch eine Idee in deinem Kopf bemerkbar machen.
Es geht im wesentlichen darum, zu bemerken, wann man selbst an
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