Die Prophezeiungen von Celestine
einjagen.«
Der Mann starrte sie an, als versuche er herauszubekommen, wes Geistes Kind sie sei...
»Wir sind auf dem Weg nach Iquitos«, sagte Julia.
»Wir arbeiten für Pater Sanchez und Pater Carl.
Kennen Sie die beiden zufällig?«
Er schüttelte den Kopf. Die Erwähnung der beiden Geistlichen hatte ihn besänftigt. Schließlich grüßte er und ging seiner Wege.
»Los jetzt«, sagte Julia.
Wir stiegen in den Wagen und fuhren davon. Erst jetzt fiel mir auf, wie angespannt und nervös ich gewesen war. Ich versuchte diese Gefühle abzuschütteln.
»Ist im Inneren des Hauses etwas vorgefallen?«
fragte ich.
Julia sah mich an. »Was meinst du?«
»Hat sich da drinnen etwas ereignet, was diesen Aufenthalt gerechtfertigt hätte?«
Sie lachte. »Nein, nur draußen.«
Ich sah sie wieder an.
»Bist du dahintergekommen?« fragte sie.
»Nein«, erwiderte ich.
»Woran hast du gedacht, bevor wir gehalten haben?«
»Ich wollte meine Beine ausstrecken.«
»Davor noch. Was war deine letzte Frage in unserer Unterhaltung?«
Ich dachte nach. Wir hatten uns über Kindheits-dramen unterhalten. Dann erinnerte ich mich. »Du hast mich verwirrt«, sagte ich. »Du hast behauptet daß jemand nur dann ein Kontroll-Drama mit uns spielen kann, wenn wir mitspielen. Das habe ich nicht verstanden.«
»Verstehst du es jetzt?«
»Eigentlich nicht. Worauf willst du hinaus?«
»Die Szene hat eben in aller Deutlichkeit demon-striert, was passiert, wenn jemand auf ein Drama einsteigt und mitspielt.«
»Wie das?«
Sie warf mir einen knappen Blick zu. »Was für ein Drama hat der Mann mit dir abgezogen?«
»Ganz offensichtlich spielte er den Einschüchterer.«
»Genau, und du?«
»Ich habe versucht, ihn mir vom Hals zu halten.«
»Ich weiß, aber was war deine Rolle?«
»Zu Anfang habe ich den Unnahbaren gespielt, doch er wollte nicht lockerlassen.«
»Und dann?«
Unsere Unterhaltung begann mich jetzt zu irritie -
ren, doch ich versuchte, bei mir zu bleiben und mich zu konzentrieren. Ich sah Julia an und sagte: »Ich schätze, ich muß das arme Ich gespielt haben.«
Sie lächelte. »Ganz genau.«
»Du schienst nicht im mindesten Probleme mit ihm zu haben«, sagte ich.
»Weil ich nicht auf sein Drama eingestiegen bin.
Erinnere dich, daß jedes Kontroll-Drama eine Kind-heitsreaktion auf ein anderes Drama ist. Deshalb braucht jeder Spieler einen Gegenspieler. Damit der Einschüchterer seine Energie erhält, braucht er entweder ein armes Ich oder einen weiteren Einschüchterer.«
»Wie hast du das gemacht?« fragte ich, immer noch verwirrt.
»Von Haus aus hätte ich dazu geneigt, selbst den Einschüchterer herauszukehren und ihn an die Wand zu spielen, was aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung geführt hätte. Statt dessen habe ich mich an das Manuskript gehalten und sein Drama beim Namen genannt. Letztlich sind alle Dramen nur verdeckte Bemühungen, an Energie zu gelangen,
und er versuchte, dich durch
Einschüchterung um deine Energie zu brin gen. Ich habe sein Spiel beim Namen genannt.«
»Du hast ihn gefragt, weshalb er so ärgerlich ist.«
»Genau. Das Manuskript beweist, daß solche Versuche, Energie abzuziehen, nicht mehr funktionieren, sobald man sie zur Sprache oder ins Bewußtsein der jeweiligen Person bringt, weil sie nur verdeckt existieren können. Die Wahrheit wird sich in einem Gespräch schließlich immer durchsetzen. Danach muß dein Gegenüber aufrichtiger und ehrlicher sein.«
»Das ergibt Sinn«, sagte ich. »Ich schätze, daß ich selbst bereits Dramen beim Namen genannt habe, ohne mir dessen bewußt zu sein.«
»Wir alle haben das getan. Wir begreifen jetzt langsam, was auf dem Spiel steht. Die Lösung liegt darin, auf die wahre Person hinter dem Drama zu schauen und soviel Energie wie möglich an diese Person abzugeben. Wenn sie merkt, daß Energie in ihre Richtung fließt, braucht sie nicht mehr mit allen Mitteln dafür zu kämpfen.«
»Was konnte man an dem Typ gut finden?« fragte ich.
»Ich habe ihn als kleinen, unsicheren Jungen gesehen, der verzweifelt nach Energie verlangte. Abgesehen davon hat er dir immerhin eine Botschaft übermittelt, oder etwa nicht?«
Ich sah sie an. Sie schien kurz vor einem Lach-anfall zu stehen.
»Du meinst, wir haben dort haltgemacht, damit ich verstehen lerne, wie Leute ihre Dramen ausspielen?«
»Das war doch deine Frage, oder nicht?«
Ich lächelte und merkte, wie mein Wohlbefinden langsam zurückkehrte. »Ja, ich
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