Die Prophezeiungen von Celestine
traute meinen Augen kaum. Es war Dobson!
Ich kletterte aus dem Wagen und ging auf ihn zu. Er war ebenfalls überrascht und umarmte mich herzlich.
»Wirklich schön, dich zu sehen!« sagte er.
»Ebenfalls«, erwiderte ich lachend. »Ich dachte schon, du wärst erschossen worden!«
Dobson klopfte mir auf den Rücken. »Nein, ich habe es wohl mit der Angst zu tun bekommen; man hat mich lediglich in Verwahrung genommen. Später haben mich einige Sympathisanten des Manuskriptes laufenlassen. Seitdem bin ich auf der Flucht.«
Er schwieg einen Augenblick und lächelte mich an.
»Ich bin froh, dich lebend zu sehen. Als Phil mir sagte, daß er dich in Viciente getroffen habe und spä-
ter gemeinsam mit dir verhaftet worden sei, wußte ich nicht, was ich davon halten sollte. Doch ich hätte mir denken können, daß wir uns wiedersehen würden.
Wohin seid ihr unterwegs?«
»Wir wollen Kardinal Sebastian einen Besuch ab-statten. Wir befürchten, daß er vorhat, die Neunte Erkenntnis zu vernichten.«
Dobson nickte und wollte etwas sagen, doch Pater Sanchez trat hinzu.
Ich stellte die Männer einander vor.
»Ich habe Ihren Namen schon in Lima gehört«, sagte Dobson zu Sanchez, »in Verbindung mit einigen verhafteten Priestern.«
»Pater Carl und Pater Costous?« fragte ich.
»Ich glaube, das waren die Namen, ja.«
Sanchez schüttelte kaum merklich den Kopf. Ich beobachtete ihn einen Moment, dann verbrachten Dobson und ich ein paar Minuten damit, uns zu erzählen, was seit unserer Trennung geschehen war.
Er hatte alle der acht Erkenntnisse studiert und schien darauf zu brennen, noch etwas anderes loszuwerden, doch ich unterbrach ihn und erzählte, daß ich Connor getroffen hatte und er nach Lima zurückgekehrt sei.
»Vermutlich wir d er ebenfalls in Verwahrung genommen werden«, sagte Dobson. »Es tut mir leid, daß ich es nicht geschafft habe, rechtzeitig an der Herberge zu sein, doch ich wollte unbedingt vorher noch nach San Luis, um mich mit einem anderen Wissenschaftler zu treffen. Wie sich herausstellte, war es unmöglich, ihn zu finden, statt dessen traf ich auf Phil und...«
»Stimmt etwas nicht?« fragte Sanchez.
»Vielleicht sollten wir uns lieber hinsetzen«, sagte Dobson. »Ihr werdet es nicht für möglich halten, aber Phil hat eine Kopie der Neunten Erkenntnis gefunden!«
Niemand rührte sich.
»Er hat eine Kopie der Übersetzung gefunden?« fragte Pater Sanchez.
»Ja.«
Phil hatte etwas im Inneren seines Wagens zu tun gehabt und kam nun auf uns zu.
»Du hast einen Teil der Neunten gefunden?« fragte ich.
»Gefunden eigentlich nicht«, sagte er. »Jemand hat sie mir gegeben. Nachdem du und ich gefangengenommen wurden, hat man mich in eine andere Stadt gebracht. Wo das war, weiß ich nicht. Nach einer Weile tauchte Kardinal Sebastian auf. Er hörte nicht auf, mich wegen meiner Arbeit in Viciente und meinem Einsatz für die Erhaltung des Baumbestandes zu löchern. Ich hatte keine Idee, weshalb mir einer der Wärter einen Teil der Neunten Erkenntnis brachte.
Der Wärter hatte sie von Kardinal Sebastians Leuten gestohlen, die offenbar gerade die Übersetzung beendet hatten. In der Erkenntnis ist die Rede von der Energie der alten Wälder.«
»Was genau steht dort?« fragte ich Phil.
Er dachte einen Augenblick nach, und Dobson bat noch einmal darum, daß wir uns setzen sollten. Er führte uns zu einer Stelle, an der man eine Zeltplane in der Mitte einer Lichtung ausgelegt hatte. Der Ort war von außerordentlicher Schönheit. Ein Dutzend riesiger Bäume bildeten einen Kreis, der ungefähr dreißig Meter im Durchmesser maß. Innerhalb des Kreises befanden sich stark duftende tropische Büsche und langstielige Farnkräuter, die vom intensivsten Grün waren, das ich je gesehen hatte. Wir setzten uns einander gegenüber.
Phil sah Dobson an. Dann blickte Dobson auf Sanchez und mich. »Die Neunte Erkenntnis erklärt, wie sich die menschliche Kultur innerhalb des nächsten Jahrtausends aufgrund der bewußten Evolu tion verändern wird. Sie beschreibt einen völlig anderen Lebensstil, als wir ihn kennen. Das Manuskript sagt zum Beispiel voraus, daß die Menschheit freiwillig die Geburtenrate verringern wird, so daß wir alle an den schönsten und energetisch stärksten Plätzen der Erde leben können. Bemerkenswerterweise geht die Schrift davon aus, daß in der Zukunft mehr solcher Orte bestehen werden als im Moment, weil wir die Wälder nicht mehr abholzen werden und sie heranwachsen und
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