Die Prophezeiungen von Celestine
»Es gibt an dieser Stelle keinen Weg.
Du mußt noch weiter nach unten klettern und es dort versuchen.«
Ich nickte und wollte gerade Marjorie ein Zeichen geben, als ich hörte, wie sich in der Ferne ein Fahrzeug näherte. Wil sprang in seinen Jeep und jagte zurück auf die Hauptstraße. Ich eilte den Berg hinauf.
Durch das Laub sah ich, wie Marjorie auf mich zukam.
Mit einem Mal erklangen hinter ihr laute Rufe in Spanisch, und ich hörte das Geräusch rennender Leute. Marjorie versteckte sich hinter einem Felsvorsprung. Ich änderte meine Richtung und lief, so leise ich konnte, nach links. Im Rennen versuchte ich Marjorie durch die Bäume im Auge zu behalten. Und gerade als sie wieder in meinem Blickfeld auf tauchte, schrie sie laut auf, weil zwei Soldaten ihre Arme ergriffen hatten und sie zwangen stehenzubleiben.
Geduckt lief ich weiter den Hang hinauf - ihren panischen Gesichtsausdruck ständig vor Augen. Auf der Spitze des Bergkammes angekommen, wandte ich mich wieder nach Norden. Mein Herz raste vor Angst und einem Schrecken, der mir zutiefst in die Glieder gefahren war.
Nachdem ich mehr als eine Meile gerannt war, hielt ich an und lauschte. Hinter mir waren jetzt weder Bewegungen noch Worte zu vernehmen. Flach auf dem Rücken liegend, versuchte ich mich zu entspannen und einen klaren Gedanken zu fassen, doch der gräßliche Anblick von Marjories Gefangennahme überwältigte mich immer wieder. Weshalb in aller Welt hatte ich sie auf dem Bergrücken zurückgelassen? Was sollte ich jetzt tun?
Ich setzte mich auf und atmete tief durch, dann starrte ich auf die Straße, die auf dem gegenüberliegenden Bergkamm entlanglief. Während meiner Flucht hatte ich dort keinen einzigen Wagen bemerkt.
Wieder lauschte ich intensiv: nichts außer den üblichen Geräuschen des Waldes. Allmählich begann ich mich ein wenig zu beruhigen. Schließlich war Marjorie lediglich gefangengenommen worden. Abgesehen von ihrer Flucht vor dem Gewehrfeuer hatte sie sich nichts zuschulden kommen lassen.
Vermutlich würde sie in Verwahrung bleiben, bis man ihre Identität als ordentliche Wissenschaftlerin geklärt hatte.
Wieder machte ich mich auf den Weg nach Norden.
Mein Rücken hatte zu schmerzen begonnen. Ich fühlte mich dreckig und müde, und ein nagendes Hungergefühl machte sich in meinem Magen breit.
Zwei Stunden lief ich so, ohne nachzudenken und ohne jemandem zu begegnen.
Dann vernahm ich vom Hang zu meiner Rechten
die Geräusche eines rennenden Menschen. Ich verharrte auf der Stelle und lauschte, doch jetzt war es still. Die Bäume waren an diesem Ort größer, schützten den Boden vor der Sonne und sorgten dafür, daß nur spärliches Unterholz wuchs. Ich konnte fünfzig oder sechzig Meter weit schauen. Nichts bewegte sich.
Ich passierte einen größeren Felsen zu meiner Rechten und ließ ihn zusammen mit einer Gruppe von Bäumen zurück, immer darauf bedacht, sowenig Lärm wie möglich zu machen. Vor mir lagen drei weitere Felsbrocken, und ich schlich an zwei von ihnen vorbei. Noch immer rührte sich nichts. Ich ging um den dritten Felsen herum. Hinter mir knackten Zweige. Langsam drehte ich mich um.
Direkt neben dem Felsen stand der bärtige Mann, den ich auf Jensens Farm getroffen hatte. Er schien panische Angst zu haben, seine Augen hatten einen wilden Ausdruck, und seine Arme zitterten, während er mit einem automatischen Gewehr auf meinen Magen zielte. Scheinbar hatte er Schwierigkeiten, sich an mich zu erinnern.
»Warten Sie«, stammelte ich. »Ich kenne Jensen.«
Er nahm mich genauer in Augenschein und senkte den Lauf seiner Waffe. Dann hörten wir beide, wie sich hinter uns jemand bewegte. Der Bärtige rannte an mir vorbei nach Norden, in der einen Hand immer noch sein Gewehr haltend. Instinktiv folgte ich ihm.
Beide liefen wir, so schnell wir konnten, Ästen und Felsstücken aus dem Weg springend und gelegentlich nach hinten schauend.
Nach ein paar hundert Metern stolperte er, und ich überholte ihn. Zwischen zwei Felsen mußte ich halt-machen und eine kurze Rast einlegen. Ich versicherte mich, daß mir niemand gefolgt war. In ungefähr fünfzig Meter Entfernung sah ich, wie ein einzelner Soldat sein Gewehr auf den großen Mann richtete, während dieser versuchte, auf die Beine zu kommen.
Noch bevor ich einen Warnruf ausstoßen konnte, feuerte der Soldat. Die Brust des Mannes explo dierte, als mehrere Kugeln durch den Rücken in seinen Körper eintraten. Für einen Moment erfüllte das Echo der
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