Die Prophezeiungen von Celestine
Schreckenserlebnisse fortsetzen werden, wenn du dich weigerst, ihm zu helfen, so versucht jemand auf der passivsten aller Ebenen Kontrolle zu erlangen.
Das Manuskript nennt dies das Drama des armen Ich.
Denk einen Augenblick darüber nach, bevor du antwortest. Warst du jemals mit Menschen zusammen, die dir ein Gefühl der Schuld vermittelt haben, obwohl es eigentlich keinerlei Grund dafür gab?«
»Ja.«
»Das lag daran, daß du dich ins Drama des armen Ich hast ziehen lassen. Alles, was diese Leute sagen und tun, soll dir signalisieren, daß du nicht genug für die betreffende Person bist. Deshalb reicht dir ihre bloße Gegenwart, um dich schuldig zu fühlen.«
Ich nickte.
»Auf diese Weise läßt sich jedes Drama untersuchen«, fuhr er fort, »abhängig davon, wo es auf der Skala von aggressiv bis passiv angesiedelt ist. Hat der Betreffende versteckte Aggressionen und untergräbt, um an deine Energie zu gelangen, deine Welt, indem er Fehler darin findet, wie dein Vater, so handelt es sich bei der Person um einen Vernehmungsbeamten.
Weniger passiv als das Drama des armen Ich ist deine eigene Unnahbarkeit. In ihrer Abstufung lauten die Typen: Einschüchterer, Vernehmungsbeamter,
Unnahbarer und armes Ich. Leuchtet dir das ein?«
»Ich denke, schon. Meinen Sie, daß jeder unter einen dieser Typen einzuordnen ist?«
»Ich bin davon überzeugt. Manche benutzen allerdings mehrere Dramen, wenn die Situation es rechtfertigt, doch die meisten unterliegen einem einzigen dominanten Kontroll-Drama, das ständig wiederholt wird, da es sich vorher in der Familie bewährt hat.«
Allmählich dämmerte es mir. Ich sah Sanchez an.
»jetzt fällt's mir ein. Meine Mutter war ebenfalls ein Vernehmungsbeamter.«
»Dann hast du eine zweifache Dosis abbekommen«, sagte Sanchez. »Kein Wunder, daß du so unnahbar geworden bist. Aber zumindest haben sie dich nicht eingeschüchtert, und du hast nie um deine Sicherheit bangen müssen.«
»Was wäre dann passiert?«
»Du wärst im Drama des armen Ich hängengeblie -
ben. Ist dir jetzt klar, wie die Sache funktioniert?
Wenn dich als Kind jemand mit der Androhung
körperlicher Gewalt um deine Energie bringen will, dann reicht Unnahbarkeit als Gegenwehr nicht mehr aus. Durch gespielte Schüchternheit bekommst du deine Energie nicht zurück - man kümmert sich dann einen Dreck darum, was in dir vorgeht. Der Druck von außen ist zu groß. Also bist du gezwungen, dich passiver zu verhalten und ins Drama des armen Ich zu flüchten, du appellierst an die Gnade der betreffenden Person und flößt ihr Schuld für ihre Untaten ein.
Wenn das nicht funktioniert, mußt du als Kind einfach durchhalten, bis du groß genug bist, um zu explodieren und gegen die Gewalt zu kämpfen. Aggression steht dann gegen Aggression.« Er hielt einen Moment inne. »Wie das Kind in der peruanischen Familie, von dem du mir erzählt hast.
Ein Mensch versucht alles, um in seiner Familie an Energie zu gelangen. Jedes Mittel ist ihm recht. Und ist er einmal erfolgreich, wird diese Strategie zum dominierenden Mittel, um den Energiezufluß aller anderen zu kontrollieren, und somit zu einem ständig wiederholten Drama.«
»Den Einschüchterer verstehe ich«, sagte ich, »aber wie entwickelt sich der Vernehmungsbeamte?«
»Was würdest du tun, wenn du als kleines Kind entweder ignoriert würdest oder deine Eltern nicht daheim wären, weil sie zum Beispiel ihrer Karriere nachgehen?«
»Ich weiß nicht.«
»Unnahbar spielen würde dir keine Aufmerk-
samkeit einbringen; es würde niemandem auffallen.
Denkst du nicht, du müßtest anfangen, so lange zu bohren und zu schnüffeln, bis du einen Fehler bei diesen unnahbaren Leuten findest, um sie damit zu zwingen, dir etwas von ihrer Aufmerksamkeit und damit ihrer Energie zu geben? Genau das ist es, was ein Vernehmungsbeamter tut.«
Ich begann, den Inhalt der Erkenntnis zu verstehen.
»Unnahbare Leute schaffen Vernehmungsbeamte!«
»Genau das.«
»Und umgekehrt! Der Einschüchterer provoziert das Drama des armen Ich oder, falls das nicht zum Erfolg führt, einen weiteren Einschüchterer!«
»Exakt. Auf diese Weise setzen Kontroll-Dramen sich fort. Behalte aber im Auge, daß wir durchaus dazu neigen, diese Dramen in anderen zu erkennen, während wir uns selbst in diesen Belangen für un-fehlbar halten. Jeder von uns muß diese Illusion aufgeben, bevor wir uns weiterbewegen können. Die meisten von uns hängen, zumindest einen Teil ihrer Zeit, in einem Drama fest,
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