Die Prophezeiungen von Celestine
Andeutung von Verlegenheit darüber daß er sich einem Fremden offenbarte.
Ich schwieg.
»Verstehen Sie die ersten fünf Erkenntnisse?«
»Ich habe sie fast alle gelesen«, sagte ich, »und mit einigen Leuten darüber gesprochen.«
Kaum hatte ich das gesagt, bemerkte ich, daß diese Aussage nicht sehr konkret war. »Ich glaube, ich verstehe den Inhalt der ersten fünf«, fügte ich hinzu.
»Nummer sechs bereitet mir noch einige Schwierigkeiten.«
Er nickte. »Die meisten Leute, mit denen ich spreche, haben von der Existenz des Manuskriptes noch nicht einmal gehört. Sie kommen hier hoch und sind von der Energie wie verzaubert. Sie allein sorgt dafür, daß sie damit beginnen, ihr bisheriges Leben zu überdenken.«
»Wie stoßen Sie auf diese Leute?«
Er sah mich vielsagend an. »Es scheint eher, als stießen sie auf mich.«
»Sie sagten, daß Sie ihnen dabei behilflich seien, ihr wahres Ich zu finden - wie das?«
Er holte tief Luft. »Es gibt nur einen einzigen Weg.
Jeder von uns muß in seine Kindheit und zu den Ereignissen in seiner Familie zurückkehren und sich darüber klarwerden, was dort geschehen ist. Sind wir uns einmal unseres Kontroll-Dramas bewußt, können wir uns um die höhere Wahrheit unserer Familien kümmern, die sozusagen als Silberstreifen hinter unseren energetischen Konflikten liegt. Haben wir diese Wahrheit einmal gefunden, kann sie unser ganzes Leben mit Energie erfüllen, denn die Wahr heit verrät uns, wer wir sind, auf welchem Weg wir gehen und was wir tun.«
»Das hat Sanchez mir auch erzählt«, sagte ich. »Ich möchte mehr darüber wissen, wie man zu dieser Wahrheit gelangt.«
Er zog den Reißverschluß seiner Jacke hoch, um sich gegen die plötzlich hereinbrechende Kälte des späten Nachmittags zu schützen. »Ich hoffe, wir werden später Zeit haben, darüber zu reden«, sagte er.
»Jetzt würde ich gern Pater Sanchez begrüßen.«
Ich ließ meinen Blick über die Ruinen schweifen.
»Sehen Sie sich um, solange Sie Lust haben. Wir treffen uns später oben bei mir am Haus«, fügte er hinzu.
Die nächsten neunzig Minuten verbrachte ich zwischen den uralten Ruinen. An bestimmten Stellen verweilte ich länger; sie schienen mehr Energie abzugeben als andere. Fasziniert fragte ich mich, welche Kultur diese Tempel errichtet haben mochte. Wie hatten sie die Steine hier heraufbekommen und in derartiger Feinarbeit aufeinandergetürmt? Es schien mir nicht menschenmöglich.
Als mein Interesse an den Ruinen nachzulassen begann, wandte ich mich wieder meiner eigenen Situation zu. Obwohl sich daran eigentlic h nichts geändert hatte, empfand ich jetzt deutlich weniger Angst als zuvor. Sanchez' Selbstsicherheit hatte auf mich abgefärbt. Es war dumm von mir gewesen, an seiner Integrität zu zweifeln. Pater Carl mochte ich ebenfalls bereits.
Als es dunkel wurde, ging ich zum Wagen und fuhr zurück zum Haus. Als ich näher kam, sah ich, daß im Inneren des Hauses zwei Männer nahe beieinander standen. Als ich eintrat, hörte ich Gelächter. Die beiden waren in der Küche mit der Zubereitung des Abendessens beschäftigt. Pater Carl hieß mich willkommen und geleitete mich zu einem Sessel. Faul ließ ich mich vor dem großen Feuer im Kamin nieder und sah mich um.
Ich befand mich in einem großen, mit breiten Bohlen vertäfelten Zimmer, dessen Wände leicht fleckig schienen. Ich sah zwei weitere Zimmer, offenbar Schlafzimmer, die durch einen schmalen Flur miteinander verbunden waren. Das Haus wurde durch schwache Glühbirnen erhellt, und in der Ferne meinte ich das Summen eines Generators wahrzunehmen.
Als die Essensvorbereitungen beendet waren,
wurde ich an einen Tisch aus rauhem Holz gebeten.
Sanchez sprach ein kurzes Gebet, und während wir aßen, fuhren die beiden Männer in ihrer Unterhaltung fort.
Danach saßen wir gemeinsam vor dem Feuer.
»Pater Carl hat mit Wil gesprochen«, sagte Sanchez.
»Wann?« fragte ich voller Freude.
»Wil ist vor einigen Tagen hier durchgekommen«, sagte Pater Carl. »Ich habe ihn vor einem Jahr das erste Mal getroffen, und er brachte mir einige wertvolle Informationen. Er wußte, wer hinter der Aktion der Regierung gegen das Manuskript steckt.«
»Wer ist es?« fragte ich.
»Kardinal Sebastian«, warf Sanchez ein.
»Was hat er vor?«
»Offenbar benutzt er seinen Einfluß bei der Regierung, um den Druck des Militärs zu verstärken. Er hat es immer vorgezogen, seine Interessen in aller Verschwiegenheit durch die Regierung vertreten zu
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