Die Psychonauten
komme aus London. Wäre es Ihnen möglich, Claudia Demmi an den Apparat zu holen?«
Pause. Dann: »Hm, sie müßte auf ihrem Zimmer sein.«
»Können Sie…?«
»Ich stelle durch. Die älteren Schülerinnen haben Telefon auf den Zimmern. Warten Sie bitte.«
»Danke.«
Das war wirklich ein vornehmes Internat. Dementsprechend waren sicherlich auch die Preise.
Es knackte einige Male, dann wurde abgehoben, und eine diesmal etwas schüchtern klingende Stimme meldete sich. »Ja, hier Claudia Demmi.«
Ich sagte mein Sprüchlein auf, damit die junge Dame wußte, mit wem sie es zu tun hatte, und fügte noch einen sehr wichtigen Schlußsatz nach.
»Ich soll Ihnen Grüße von Fatima Meshir ausrichten.«
Ein kurzer Schrei, dann entstand eine Pause, in der ich heftige Atemzüge hörte. »Hören Sie, Claudia, sind Sie noch dran?«
»Ja, ja, das bin ich.«
»Weshalb haben Sie sich nicht mehr gemeldet?«
Sie mußte sich erst räuspern, bevor sie fragte: »Wer sind Sie, Monsieur?«
»Ein Bekannter der Familie Meshir.«
»Und was wollen Sie von mir?«
»Mit Ihnen über Fatima reden, ganz einfach, ganz einfach.«
Wieder überlegte sie. »Weshalb? Ich wüßte nicht, was es über sie zu reden gäbe.«
»Ich schon. Schließlich ist sie einfach verschwunden. Niemand…«
»Hören Sie auf, Monsieur, das ist gefährlich.«
»Claudia, wann können wir uns treffen.«
»Nicht jetzt!«
»Okay, sagen Sie eine Zeit!«
»Um… um… wenn es dunkel wird. Neunzehn Uhr.«
»Okay, wo?«
»Ich komme zu Ihnen.«
»Dann werde ich Ihnen den Namen des Restaurants durchgeben: Chez Hélène. Kennen Sie das?«
»Ja, es liegt am See.«
»Genau.«
»Ich möchte mich dort nicht blicken lassen. Sie können vor dem Restaurant auf mich warten. Wir werden dann zum See hinuntergehen, wo uns niemand stört. Was wollen Sie eigentlich?«
»Das sage ich Ihnen später. Mir geht es vor allen Dingen um Ihre Freundin Fatima.«
»Ja, gut. Au revoir…«
Sie hatte aufgelegt, und auch ich ließ den Hörer sehr nachdenklich auf den Apparat zurücksinken. Wenn ich mir das Gespräch noch einmal vergegenwärtigte, mußte ich einfach davon ausgehen, daß auch Claudia Demmi Furcht hatte.
Wovor? Waren es dieselben Gegner, die auch Fatima entführt hatten?
Befand sich hierein Nest?
Ich ging wieder auf die Terrasse zurück, wo die Wirtin jetzt bei Suko saß, der mir gespannt entgegenschaute. »Ich habe sie erreicht«, sagte ich.
»Alles klar?«
»Bis auf einige Kleinigkeiten.« Auch ich nahm wieder Platz. »Was haben wir zu bezahlen?«
Der Betrag belief sich noch unter dreißig Franken. Das ließ sich hören.
»Kommen Sie noch einmal wieder?« fragte die Wirtin.
»Durchaus möglich. Uns hat es sehr gut gefallen.«
»Dann bis später - vielleicht.« Sie lächelte hinter uns her, als wir den Weg am Haus vorbei und zur Vorderseite des Restaurants schritten, wo auch der Wagen parkte.
»Jetzt raus mit der Sprache, John! Was ist da los gewesen?«
Wir standen neben dem Wagen, die Gesichter den wärmenden Strahlen der Sonne zugedreht. »Claudia Demmi hat Angst.«
»Sie auch?«
»Ja.«
»Und wovor?«
Ich schlug mit der flachen Hand auf das Autodach. »Das hat sie mir nicht gesagt. Ich entnahm es ihrer Stimme und den Antworten.«
»Wie seid ihr verblieben?«
»Daß wir uns um neunzehn Uhr mit ihr treffen. Sie wird hier vor dem Lokal erscheinen. Reden will sie im Freien. Sie schlug vor, den Weg zum See hin einzuschlagen.«
Mein Freund nickte sehr nachdenklich. Dabei schaute er schräg den Hügel hoch, wo Wein wuchs und auch Wiesen bis an den Rand reichten und die Mauern des Internats grüßten. »Am liebsten würde ich hochfahren und mit dieser Claudia einige Takte reden.«
»Ich auch, aber wir wollen das Mädchen nicht in unnötige Gefahr bringen. Die Zeit bis zum Treffen vergeht auch so.«
»Du sagst es.«
Sehr bald schon saßen wir wieder im Wagen und rollten davon. Raus aus Lausanne, durch kleine, malerische Orte, die eine herrliche Kulisse bildeten. Ein Paradies für Fotografen.
Meine innere Spannung wollte nicht weichen. Immer wieder mußte ich an das Gespräch denken und an die gepreßt klingende Stimme des Mädchens. Claudia Demmi war Fatimas Freundin. Freundinnen vertraut man so manches an. Ich konnte mir vorstellen, daß uns diese Person weiterbringen würde…
***
Einige Stunden später!
Jetzt lag die Dunkelheit über dem See. Noch nicht so tief wie in der Nacht, aber als blaugrauer Schleier, der alles verhüllt, Wasser und Luft zu
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