Die Psychonauten
Möglicherweise werden wir auch an den Nil fahren müssen.«
Sir James überlegte. »Nicht schlecht gedacht«, stimmte er Suko zu.
»Was meinen Sie, John?«
»Ausschließen möchte ich nichts.«
Diese Worte waren gleichzeitig so etwas wie ein Abschied. Vor dem Büro atmete Suko tief durch. »Jetzt trinke sogar ich einen Kaffee«, sagte er.
»Ist dir der Fall an die Nieren gegangen?«
»So ahnlich. Ich werde den Lindruck nicht los, daß da etwas auf uns zurollt.«
»Das kann sein.«
Glenda wußte, was wir wollten. Als wir das Vorzimmer betraten, rochen wir den frisch gekochten Kaffee bereits. »Na, ihr beiden? So früh auf den Beinen?«
»Ja. Und dazu noch bei Sir James.«
»Ach du Schreck.«
Ich schaute sie an. Schick sah sie aus in ihrem neuen Kostüm. Eine auf Figur sitzende Pfeffer-und-Salz-Jacke mit einem verhältnismäßig großen Kragen, dazu der schwarze Rock mit dem langen Schlitz an der Rückseite, das war schon neueste Mode. Unter der Jacke trug sie ein schlichtes, weißes T-Shirt.
»Ist was, John?«
»Du siehst stark aus! Abgenommen?«
»Quatsch. Dieneue Mode macht Figur und schlank.«
»Sie gefällt mir.«
»Aber Mini ist vorbei. Die Röcke bleiben am Knie oder fallen noch länger.«
»Schade für uns Männer.«
»Lüstling. Wollt ihr Kaffee?«
»Klar, sogar Suko will welchen. Danach werden wir uns verabschieden. Die Schweiz wartet.«
»Aber kein Urlaub, wie ich euch kenne.«
»Leider nicht.«
Suko fügte noch eine spitze Bemerkung hinzu. »Wir haben übrigens in einem Internat zu tun, wo nur Mädchen sind. Höhere Töchter, meine liebe Glenda.«
»Stimmt das, John?«
»Leider«, antwortete ich und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Glenda holte tief Luft. »Wenn du noch einmal so lügst, kannst du den Kaffee aus drei Yard Entfernung trinken. Aber ich gebe dir einen Rat. Höhere Töchter sind meist zickig und schielen nur nach dem Geld eines Mannes.«
»Da gibt es bei mir nicht viel zu schielen.« Sie nickte heftig. »Das weiß ich.«
»Woher denn?«
»Dann hättest du mich schon des öfteren eingeladen. Aber bei dir sitzt ja ein Igel in beiden laschen.«
»Ich habe dafür ein anderes Wort.«
»Und welches?«
»Der Beamtensold…«
***
Schweiz — das Waadland, der Genfer See, auch Lac Léman genannt, mit seinen Städten Genf, Lausanne, Montreux. Spielplätze der Reichen, Hotels der teuersten Klasse, Berge mit schneebedeckten Gipfeln und Zentrum zahlreicher Ost-West-Konferenzen.
Nach Genf, wo die Konferenzen stattfanden, wollten Suko und ich nicht. Unser Ziel war Lausanne.
Der Flug lag hinter uns. Er war ruhig verlaufen. Ziemlich gemütlich ging es auch auf dem Berner Flughafen zu, kein Vergleich mit der Hektik auf Heathrow.
Der Leihwagen stand bereit. Es war ein weißer BMW der 3er Reihe. Bis Lausanne konnten wir Autobahn fahren. Zunächst die N 12, danach die N 9, die parallel zum Genfer See nach Lausanne führt. Schon beim Anflug hatten wir die gewaltigen Bergriesen des Berner Oberlandes gesehen. Ich hatte dabei an Kandersteg und Grindclwald gedacht, wo mich frühere Abenteuer hingeführt hatten. Durch die Berge brauchten wir aber nicht. Die ließen wir weiter östlich liegen, denn unser Weg führte in Richtung Fribourg, wo bereits französisch gesprochen wird.
Um diese Zeit war die Autobahn relativ leer. Das Wetter machte auch eine gute Miene. Zwar lag der Himmel nicht wolkenfrei über uns, aber es regnete nicht, und die Temperaturen bewegten sich zwischen 15 und 20 Grad. Angenehm, wie ich fand.
In der Nähe von Vevey, schon dicht am See, mußten wir auf die andere Bahn.
Der Verkehr nahm zu. Auf den letzten Kilometern gerieten wir in einen Stau, die Strecke zum See hinunter dauerte seine Zeit. Auf der Uferstraße mußten wir weiter. Die Schule lag westlich der Stadt in einem Vorort.
Da ich fuhr, konnte ich mich nicht auf das herrliche Seepanorama konzentrieren.
Links neben uns lag die gewaltige Wasserfläche des Lac Léman wie graublau gestrichen. Nur wenige Wellenbewegung herrschte auf dem Gewässer. Zahlreiche, weiß gestrichene Ausflugsboote waren unterwegs. Der Herbst gehört in der Schweiz zur Saison. Zudem garantierte der See ein oft mildes Klima. Auf der anderen Uferseite, nicht mehr sichtbar, aber zu ahnen, zeichnete sich die Kulisse der Bergwelt ab. Dort lag auch Frankreich mit seinen Eisriesen und dem Mont Blanc, dem höchsten Berg Europas. Kleine Yachthäfen bildeten mit ihren ruhig daliegenden und oftmals mit Planen abgedeckten Schiffen ein
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