Die Psychonauten
Regierung an die englische Botschaft gesandt worden und habe in Ihrem Lande den Rang eines Attaches. Ich stehe damit praktisch vor dem Sprung zum Botschafter.«
»Gratuliere.«
Er winkte ab. »So dürfen Sie das nicht sehen. Was ist schon Karriere, wenn es um die Familie geht?«
»Sind das Ihre Sorgen?«
»Ja, es geht um Fatima, meine Tochter. Man hat sie, als sie mich in London besuchte, entführt.«
»Wo?«
»Zwischen Heathrow und der City of London.«
»Das möchte ich genau wissen.«
»Natürlich.«
Ich bekam eine Geschichte präsentiert, die in einen Krimi passen konnte. Man hatte die Tochter dem Ehepaar im Stau weggeschnappt. Allein die Tatsache wies auf Menschen hin, die man als Profis oder zumindest als abgebrüht bezeichnen konnte.
»Gab es Zeugen, oder standen Sie unter Bewachung?«
»Nein, Mr. Sinclair.« Er produzierte eine dichte Rauchwolke, die in das Geäst trieb. »Es ging alles blitzschnell. Bestimmt hat es Zeugen in den Nachbarwagen gegeben, aber es war dunkel, und wir hielten mit unserem Wagen dicht am Rand der rechten Überholspur. Die Täter waren bewaffnet und wußten genau, was sie wollten.«
»Ihre Tochter also. Um Lösegeld zu erpressen?«
Er lächelte schmal. »Wenn es nur das gewesen wäre, Mr. Sinclair, hätte ich Sie nicht eingeschaltet.«
»Wieso sagen Sie das mit einer starken Betonung?«
»Nun, es hat sich in gewissen Kreisen herumgesprochen, welch einen Job Sie ausüben.«
Ich schnippte Asche ab. »Dann vermuten Sie hinter der Entführung dämonische Umtriebe?«
»Ja und nein.«
»Das verstehe ich nicht, Mr. Meshir.«
»Ich will versuchen, es Ihnen zu erklären. Ich bin mir nicht sicher, ob tatsächlich Dämonen dahinterstecken. Dämonen sind für mich etwas anderes. Diese Gruppe, die sich etabliert hat, möchte gern das Wissen der Welt besitzen.«
»Au«, sagte ich und trat einen kleinen Schritt zurück. Dabei streiften Blätter mein Haar. »Sie glauben mir nicht?«
»Das habe ich nicht gesagt, aber es gibt Dinge, die ich nicht so ernst nehmen kann.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Nun ja, Gruppen, die die Welt verändern wollen, gibt es viele. Ich kann Ihnen die einzelnen Namen der Sekten und Vereinigungen nicht aufzählen, aber wenn Sie auf so etwas hereingefallen sind…«
»Nein, nein, Mr. Sinclair. Das ist kein Hereinfallen. Diese Gruppe meint es ernst.«
»Wer genau steckt dahinter?«
Meshir rauchte hastig. »Genau das ist mein Problem. Ich kenne leider keine Namen, weiß jedoch, daß diese Gruppe in meinem Heimatland ihren Ursprung hat und mittlerweile die Länder des Mittelmeeres nicht gerade beherrscht, aber in gewisser Hinsicht kontrolliert. Eine nicht erklärbare Strömung ist dort entstanden. Sie ist so stark, daß sie alles andere mit in ihren Bann zieht.«
»Was hat Ihre Tochter damit zu tun?«
»Sie wurde ausgesucht«, erwiderte er mit kaum verständlicher Stimme.
»Ausgesucht?« wiederholte ich. »Für was?«
»Um zu sterben. Sie soll geopfert werden, das ist alles.«
Ich bekam eine trockene Kehle. Die Entführung sah ich jetzt in einem anderen Licht. »Wissen Sie das genau, Mr. Meshir?«
»Ja, man gab mir Bescheid. Nicht per Brief, man rief mich an und erklärte mir, daß ich stolz sein könne, wenn meine Tochter Fatima ihr Leben verliert, denn ihr Tod bedeutet einen neuen Anfang für die Bewegung, die das Wissen der Welt in sich aufsaugen will. Nur durch ihren Tod können sie an die Geheimnisse herankommen, die in einer großen Tiefe, das müssen Sie sinnbildlich sehen, verborgen liegen.«
»Bisher blicke ich nicht durch. Vielleicht ist die Tiefe, von der Sie sprachen, auch zu tief.«
»Ja, natürlich, entschuldigen Sie, aber…« Er hob die Schultern. »Ich weiß auch nicht viel von dieser Verbindung. Sie stammt jedenfalls aus meinem Heimatland und nimmt ihre Kraft sowie ihr Wissen aus der Vergangenheit meiner Heimat.«
»Sie sprechen jetzt von der frühen Kultur?«
»So ist es, Mr. Sinclair. Wie ich hörte, kennen Sie sich ein wenig in der Geschichte meiner Heimat aus.«
»Mehr schlecht als recht. Ich hatte mehrmals mit gewissen Dingen zu tun, wie Sie wissen.«
»Das weiß ich. Auch in London, als Sie sich um die Nadel der Cleopatra kümmerten.«
»Das liegt lange zurück.«
»Ist aber nicht vergessen.«
Ich nickte. »Gut, Mr. Meshir, fassen wir einmal zusammen. Ihre Tochter wurde entführt, befindet sich nun in den Händen dieser Menschen, und ich soll sie befreien.«
»So ist es.«
»Wo könnte sie sein?«
»Das ist
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