Die Pubertistin - eine Herausforderung
heraus, dass die Pubertistin ihre Bewerbungsoffensive aus zwei Gründen gestartet hat. Ein Grund ist der lustige Tim, mit dem sie offenbar glaubt, noch einmal Kind sein zu können. Der andereist ... das ist jetzt ein bisschen peinlich. Also gut: Es ist das schöne Wetter. Sie hat ja nicht viel mitbekommen in diesem Urlaub in jenem fernen Ausland. Aber sie hat deutlich gespürt, dass es dort weitaus wärmer ist als zu Hause.
Das Wetter! Wir fassen es nicht. Unsere Tochter ist bereit, sich in die Todeszone zu begeben, damit sie es schön warm hat! Einmal mehr spüren wir, was schiefläuft bei uns im Beitrittsgebiet: Das Weltläufige ist hier eher fern, von internationalen Verwicklungen oder dergleichen steht nichts im Lokalblatt und wird offenbar auch nicht in der Schule gesprochen. Aber was solls – immerhin will sie hier auch mal raus. Wir stellen den Freistellungsantrag beim Schulamt und halten nach einem günstigen Flug Ausschau.
Haben unsere arglosen Nachbarn über Stunden mit Wartezimmergesprächen wach gehalten, haben ausgiebig ihren Garten gelobt, den pfiffigen Leuchtturm-Kalender an der Wand und die neue Couch im Wohnzimmer gepriesen, auf der es sich wirklich hervorragend sitzen ließ. Und wir haben dabei nicht vergessen, immer fleißig die Gläser nachzufüllen. Gegen Mitternacht zeigte die Gastgeberin erste Ermüdungserscheinungen, aber wir waren vorbereitet und hatten den Laptop dabei: Haben wir euch schon die Urlaubsbilder ...? Viertel vor zwei war es so weit: Die nette Nachbarin war eingeschlafen, ihr Mann blinzelte nur noch, und auch wir waren erledigt. Müde, leergequatscht und, oh ja, betrunken.
Unter Murren hatten wir Stunden zuvor unser Haus verlassen müssen. Die Pubertistin hatte uns vor die Tür gesetzt, Begründung: Geburtstagsparty, Anwesenheit von Eltern nicht nur verboten, sondern peinlich. Nur knapp hatten wir ein Rückkehrrecht erwirken können, die Jubilarin hatte allen Ernstes mit uns die Frage diskutiert, ob wir uns nicht in der nahen Kreisstadt ein Hotelzimmer nehmen könnten. Es hakt wohl!, sagten wir. Das sind die Früchte liberaler Erziehung.
Zu Hause an der Gartenpforte angekommen, drücken wir uns an einem Grüppchen jugendlicher Raucher vorbei. Sie nehmen keine Notiz von uns. Im Garten wummert Musik. Ein Wunder, dass die Anwohner der verkehrsberuhigten Sackgasse nicht längst die Polizei gerufen haben. Eine erste Inaugenscheinnahme im Schimmer der funzeligen Lichterkette ergibt, dass die Stimmung der Partygemeinde, nun ja, gedämpft ist. In der Dunkelheit erkenne ich ein mir unbekanntes Mädchen, das leise weinend im Schatten des Johannisbeerstrauchs kauert, ein anderes Girl krault stieren Blicks unsere Katze. In meinem Gartenkorbsessel schläft ein junger Mann, den ich – hätte uns die Pubertistin nicht jede Kontaktaufnahme mit ihren Gästen streng verboten – gern in eine Wolldecke wickeln und aufs Sofa tragen würde. Daneben würde ich dann vorsichtshalber den Wischeimer stellen. So besoffen ist der. Und so besoffen sind die bei näherem Hinsehen alle. Wie konnte das passieren?
Das neue Lebensjahr hat der Pubertistin einen buntschillernden Personalausweis beschert. Ein wichtiges Dokument und der Beweis dafür, dass sie nun irgendwie auch zur strafmündigen Menschengemeinschaftgehört. Denn das laminierte Zauberkärtchen berechtigt sie, Bier zu erwerben. Das hat sie vor ihrer Party ausgiebig genutzt und ihr klammes Taschengeld für überteuerte und bunt etikettierte Brauereiprodukte ausgegeben. Sie hält eben auf Stil – wenn schon betrinken, dann mit Markenbier. Aber Bier, das sehen wir, ist noch jede Menge da, davon können die nicht alle dermaßen blau sein.
Am nächsten Morgen – der Nachwuchs schläft seinen Rausch aus – sehen wir, was los ist. Unter den Tischen und Bänken finden wir, neben achtlos in den Rasen gelatschten Kippen, Hochprozentiges, das in seiner Farbigkeit den nagelneuen Perso der Pubertistin weit übertrifft: Liköre namens »Grüner Apfel«, »Saurer Apfel«, fertig gemixte Piña Colada, etwas Orangefarbenes namens »Palmero«. Außerdem Wodka, Gin und Korn, alles vom Discounter.
Woher der Stoff?, fragen wir streng, als gegen Nachmittag der letzte Übernachtungsgast gegangen ist. Sie zappelt noch ein bisschen, aber dann gibt sie zu, mit dem Ausweis ihrer großen Schwester auf Schnapseinkaufstour gewesen zu sein. Das allerdings finden wir nun wirklich lustig. Sie können das nichtwissen, aber die Pubertistin und ihre
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