Die Pubertistin - eine Herausforderung
sich in engen Grenzen. Nichts gegen den Onkel und nicht, dass wir nicht auch hin und wieder mal juristischer Beratung bedürften – aber eine gewisse, nun ja, gewinnorientierte Weltsicht, eine, oh ja, mitunter besserwisserische Art zu kommunizieren hatten wir am Onkel schon öfter beobachten dürfen. Die Pubertistin, ohnehin ausgestattet mit Beharrungsvermögen und einem gerüttelt Maß Diskutierlaune, fürchteten wir, würde als sein größter Fan all diese Anlagen und Prägungen zur lebenslänglichen Serienreife bringen.
Die Oma und der Opa hingegen hörten gern, dass ihre Enkeltochter später mal eine stinkreiche Rechtsanwältin werden wollte. Der Opa streitet sich gern mit Telefonanbietern oder Versicherern, er reklamiert immer mal wieder dies und jenes, da kann es wirklich nicht schaden, einen Rechtsverdreher, wie der Opa Anwälte nennt, zu Diensten zu haben. DieAnkündigung der Pubertistin, ihren geliebten Opa und die süße Oma in jener fernen Zukunft nach New York in ein Fünf-Sterne-Hotel einladen zu wollen, das Ganze verbunden mit einem First-class-Flug, weckte bei ihnen zudem eine leise Vorfreude. Das ließ sich doch endlich mal hören in einer Familie, wo die eigenen Kinder mit etwas derart Nutzlosem wie Schreiben ihr Geld verdienen und die große Enkeltochter irgendeinen Sozialquatsch studieren will.
Bis es bei der Pubertistin mit dem Studium losgehen kann, versehen der Vater und ich die rückwärtigen Dienste. Wir schmieren jeden Morgen das Schulbrot und trommeln die künftige Anwältin aus dem Bett. Versteht sie Mathe nicht, setzt sich der Vater mit ihr hin und übt und redet und erklärt, bis sie wenigstens eine Drei schreibt. Ich wiederum wehre tapfer ihre Gelüste nach überteuerter Kleidung und absurden Frisuren ab und teile das Taschengeld zu. Wenn sie meckert, weil ihre Kohle hinten und vorne nicht reicht, werfen wir gemeinsam mit ihr einen Blick in jene herrliche Zukunft als Anwältin. Da rollt dann der Rubel, die Kreditkarte ist golden – und das alles, weil sie ihr Geld mit Streitenverdient. Aber bitte erst dann!, mahnen wir. Ja ja, mault sie, aber ich brauche jetzt zehn Euro für mein Wochenende mit Elektra und Yasmin. Nein, nein, geben wir zurück, wenn du kein Geld hast, musst du halt hierbleiben.
Es ist wie verhext. Immer wenn sich die Situation pädagogisch auflädt, wenn wir fest entschlossen sind, diesmal wirklich konsequent (aber immer freundlich) zu bleiben, taucht am Horizont der Onkel auf. Stets ist er dann gerade in der Gegend. Er will mit uns im Umland radfahren oder kommt mit einem Korb Pilze vorbei, den er unterwegs gekauft hat. Wir freuen uns. Aber noch mehr freut sich die Pubertistin. Der Mann ihrer Träume nämlich verfügt – neben lauten Begrüßungsritualen und freundlichen Knüffen – über etwas, wovon ich lange nicht einmal wusste, dass es existiert: eine silberne Geldklammer. Der schöne Onkel hat ein so sportliches Verhältnis zu Geld, dass er stets eine Auswahl an Scheinen bei sich trägt. Diese Aufbewahrungsart erlaubt es ihm, die Hand in die Hosentasche zu stecken, diskret einen Schein abzuzupfen und ihn der Pubertistin, dem Kind, das er selbst einmal war, zuzustecken.
Klar ist der Onkel gutaussehend, clever und großzügig. Aber wir sind auch nicht dumm. Und blind schon gar nicht. Kürzlich haben wir ihm mal erzählt, wie er mit seinen Gaben fürs Kind unsere Erziehungsziele schrottet. Da lacht der Onkel, so was freut ihn einfach. Okay, sagen wir, machen wir weiter wie bisher. Er ist halt ein Mann, an dem stimmt einfach alles.
Die Welt da draußen kann ja herkommen, wenn sie uns Kleinstädter unbedingt kennenlernen möchte. Wir Menschen im Beitrittsgebiet neigen eher selten bis nicht zum spontanen Kontakt mit dem Fremden. Wenn Ausland, dann bitte warm, sonnig und mit einem All-inclusive-Bändchen am Handgelenk.
Auch die Schwester der Pubertistin wollte nicht abseits stehen, als sie letzten Sommer mit ihren Altersgenossen Abitur feierte. Die Reise ging nach Lloret de Mar, einem Sauf-Eldorado an der katalanischen Küste. Dortselbst legte sie ihren hochschulreifen Körper neben die tausender anderer deutscher Jugendlicher, um ihn abends in eine Stranddisco zu tragen, wo Flatrate-Drinks gereicht wurden und schlechte Musik gespielt wurde. Nach zehn Tagen kam sie restlos verbrannt und vergiftet zurück in ihre verpupste Heimatstadt und war sichtlich froh, eine stille Ecke zum Ausschlafen gefunden zu haben.
So in etwa sehen auch die
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