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Die Puppe an der Decke

Die Puppe an der Decke

Titel: Die Puppe an der Decke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingvar Ambjörnsen
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Preise von Rosenkohl und frischem Dorsch, über Treffen im Gebetshaus und die Mitteilung, dass im lokalen Kino jetzt der neue James Bond-Film läuft. Sie werden nach der Essenz unseres Alltags suchen, nach seinem Kern, aber werden sie ihn auf der Rückseite einer Omo-Packung finden oder in Dostojewskis gesammelten Werken?
    Gedankenspinnereien. Grübeleien mitten in der Nacht.
    Sie fuhr am Fjord entlang, über Inseln von Licht unter den Laternenmasten, der Fjord lag auf ihrer linken Seite, der Fjord und die dunkle Landzunge, und sie stellte sich vor, wie Leo irgendwo dort draußen saß und ins Nichts schaute. Das hatte er gesagt. Dass er um diese Nachtzeit gern untätig sei. Dass er gegen fünf ins Bett gehe und drei oder vier Stunden schlafe, dass er nicht mehr brauche.
    In den Häusern im Stjernesti brannte kein Licht. Nur bleiche Lampen über Treppen und Einfahrten. Sie hatte hier jetzt nichts zu suchen, deshalb fuhr sie weiter bis zum Sportplatz und ging dann zu Fuß zum Aussichtspunkt. Bei der Bank bog sie nach Westen ab und ging über nackte Felsen und durch feuchte Senken, bis unter ihr die ganze Siedlung lag. Sie konnte das kleine rote Haus und die Garage erkennen.
    Und sie sieht sie vor sich. Sie sieht Niels Petter und Nina in einem großen Doppelbett im ersten Stock. Sie sieht die pfirsichfarbene Bettwäsche, sie ist frisch gewaschen und duftet nach Weichspüler, sie sieht die Kleider, die ordentlich auf einem Stuhl abgelegt sind. Er schläft auf dem Rücken und schnarcht leise, sie liegt in Embryostellung da, den Kopf auf seinen Arm gelegt. Es ist nicht kalt, das Fenster ist einen Spaltbreit geöffnet, und nie im Leben würden die beiden davon träumen, einen Hund zu zerlegen. Im Nebenzimmer schläft der Kleine im Kinderbettchen, mit pastellfarbenen Stofftieren, eine gesprenkelte Giraffe am Fußende, auf dem Boden der Kasten mit dem Spielzeug.
    Zurück zum Schlafzimmer der Eltern, wo Niels Petter Holand jetzt erwacht, es klingelt, zuerst ist er nur verwirrt, aber es ist das verdammte Telefon, es ist das verdammte Telefon, und der Wecker auf dem Nachttisch zeigt halb vier, ein blöder Besoffener oder eine Mitteilung über Krankheit und Tod, er hat zwei gebrechliche Eltern von über achtzig. Rebekka presst sich das Telefon ans Ohr und sieht, wie im ersten Stock das Licht eingeschaltet wird, sie glaubt ihn fluchen zu hören, sie bricht die Verbindung ab, ehe er zum Hörer greift.
    Die Lampe im Schlafzimmer wird ausgeschaltet, aber dann wird unten Licht gemacht, ein schwaches Flackern an der Tanne auf der Rückseite des Hauses, sie oder er steht in der Küche, sie sieht den Widerschein des Lichtes im Wohnzimmerfenster. Ob das Kind aufgewacht ist? Ist der kleine Junge beim Klingeln aufgeschreckt? Sie steckt das Mobiltelefon in die Tasche ihrer Allwetterjacke und nimmt sich eine Zigarette, die schmeckt hervorragend.
    Er ist hinter dem Wohnzimmerfenster zu sehen. Groß und schwer, nackt oder im Schlafanzug, das kann sie aus dieser Entfernung nicht sehen, es spielt aber auch keine Rolle.
    Als sie nach Hause kam, aß sie ein Stück Brot und trank ein Glas Milch. Sie war zum Umfallen müde, und nach diesem schlichten Frühstück ging sie wieder ins Bett. Keine toten Hunde suchten sie heim. Es gab nur schweren, schwarzen Schlaf, Bewusstlosigkeit, die Halbschwester des Todes.
    Um halb eins wachte sie auf. Draußen schien die Sonne, sie strahlte ins Schlafzimmer, und ehe sie richtig wach wurde, kam es ihr ungeheuer fern und fremd vor, wenige Stunden zuvor am Aussichtspunkt gewesen zu sein. Der Traum von dem Hund war wirklicher, doch unten in der Küche stand im Spülbecken das Milchglas.

9
    Gaute Rimfoss sah aus wie ein großes Stück gebrannter Ton. Sein Kopf saß ganz gerade auf seinem Körper, Gott hatte den Hals ausgespart und dem Mann von dem übrig gebliebenen Material zwei überdimensionierte Hände gegeben. Zu sehen, wie er auf der Töpferscheibe dünne Tassen und Schüsseln formte, war ein seltsames, fast unwirkliches Erlebnis. Gaute Rimfoss schaffte mit seinen Wurstfingern das Unmögliche, während er sich über Ton und Drehtechniken, über Glasuren und Temperaturen verbreitete.
    Sie waren acht Frauen und drei Männer. Sie wollten sich in ihrer Freizeit mit einem der ältesten Gewerbe der Welt vertraut machen. Rebekka stand in der Töpferwerkstatt der Grundschule von Nybyen, wo die misslungenen Experimente der Kinder an den Wänden aufgestapelt waren, sie war belustigt und überdrüssig zugleich, sie starrte

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