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Die Puppe an der Decke

Die Puppe an der Decke

Titel: Die Puppe an der Decke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingvar Ambjörnsen
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mit leichtem Schwindel die elektrische Töpferscheibe an.
    Später sollten sie »sich mit dem Ton vertraut machen«. Kneten und formen, wie es ihnen gerade in den Sinn kam. Zwei an jedem Arbeitstisch. Rebekka sorgte dafür, dass sie nicht Nina als Tischnachbarin bekam, sie arbeitete neben Gunnar, einem Vorschullehrer. Er machte diesen Kurs als »Zusatzausbildung« und sagte nicht viel.
    Der klebrige Ton, der langsam warm wurde, als sie ihn bearbeitete. Sie sah die Lawine am Strandvei, grauen Ton, die Gemeindearbeiter, die ihn wegräumten, das ergab einen Sinn, das hier war null, weniger als null. Sie hatte keine Ahnung, was sie formen sollte, sie wollte nichts formen, sie wollte den Tonklumpen einfach auf den Boden fallen lassen, sich gründlich die Hände waschen und gehen.
    Sie tat es Gunnar nach, rollte lange Würste und formte eine Art Becher.
    Sie betrachtete den grünen Pulloverrücken vor sich. Musterte Ninas locker hochgesteckte Haare und ihre schmalen Schultern. Es war unmöglich zu sehen, was sie mit dem ihr zugeteilten Klumpen machte, aber sie ging energisch ans Werk, sie war motiviert, das hier wollte sie. Sie war jeden Tag mit dem Kind zu Hause, heute war Ninas freier Abend, vielleicht der einzige in der Woche.
    Babysitter, oder hatte sie das Kind dem Vater überlassen? Auch egal. Beide Lösungen boten Möglichkeiten. Wenn er zu Hause saß, dann konnte die Zukunft lustige Unternehmungen unter Mädels bringen, wenn nicht, würde sie ihm vielleicht früher begegnen, als sie berechnet hatte. Wenn Nina von der Sorte war, die immer sofort nach Hause wollte, würde sie sie trotzdem kennen lernen. Rauchen. Zusammenhalt. Es gab eine Kaffeepause, und im Haus war das Rauchen streng verboten.
    Sie zerdrückte den Becher und formte stattdessen ein Gesicht. Sie war unbegabt, das Resultat sah kindisch aus, ohne jedoch den spontanen Ausdruck von Kinderkunst. Es war eine Art maschinell produzierter Pfefferkuchenmann.
    Gaute Rimfoss lief zwischen den Arbeitstischen umher und psalmodierte monoton über kreative Prozesse ganz allgemein und über die Möglichkeiten des Tons im Besonderen, zugleich feuerte er alle einzelnen »Arbeiten«, wie er das nannte, munter an.
    Bis hierher musste ich kommen, dachte sie. Bis hierher. Bis zum Kindergarten in der Stadt Kardemomme.
    »Sieh mal an, ja!«, sagte Rimfoss und legte den Kopf schräg.
    Sie zerquetschte ihre Figur, als er zu Nina Granum weiterging.
    »Und hier haben wir einwandfrei ein Talent«, sagte er dort und beugte sich über sie. »Es tut mir Leid, dass ich dich nur in Bezug auf Tassen und Schüsseln beraten kann.«
    Er hob den weichen Tonklumpen vorsichtig hoch; es war ein Kinderkopf, glatt, haarlos, mit geschlossenen Augen. Nina Granum sah verlegen und stolz aus.
    »Schön!«
    Es war schön. Nicht glatt, nicht puppenhaft, es war ein schlafendes Kind. Rebekka dachte an den kleinen Jungen, wie geborgen er geschlafen hatte, dass sie ihn im Kinderzimmer gesehen hatte, in der Dunkelheit ruhend, ganz und gar unschuldig, ja, ohne Schuld. Sie dachte, sie müsse Nina und dem Kind helfen, sie aus ihrer unwürdigen Lage herausholen.
    »Das hätte er nicht tun dürfen«, sagte Nina Granum.
    »Meine Güte. Das war ja wohl total überflüssig. Ich bilde mir schließlich nicht ein, eine Künstlerin zu sein.«
    »Hör jetzt auf«, sagte jemand mit kurzem Lachen.
    »Wir sind hier nicht im Kindergarten. Ich bin ganz sicher, dass niemand neidisch auf dich ist, weil der Lehrer dein Produkt besonders gelobt hat. Es ist toll. Du bist begabt. Und darüber solltest du dich freuen. Ich bin mir wie ein Trottel vorgekommen.«
    »Ich auch«, sagte Rebekka.
    Sie standen zu fünft auf der Treppe, rauchten und fröstelten und schlürften dazu den Kaffee aus ihren Pappbechern.
    Sie hatten sich einander vorgestellt. Sie hießen Kari und Nina, Ulf und Andrea, und Rebekka.
    Smalltalk. Pisskram, aber doch ein Anfang. Was sie so mache? Beurlaubt von einem guten Job in einer Versicherung. Sie müsse nach einer Scheidung erst wieder zu sich kommen.
    Die anderen machten, was sie eben machten. Post. Werbung. Andrea und Nina waren Hausfrauen mit kleinen Kindern.
    Der Vorschlag kam von anderer Seite. Was machen wir nachher? Wollen wir nicht noch irgendwo einen Kaffee trinken, wo wir unsere Zigaretten genießen können, statt uns wie hier nur mit Nikotin vollzupumpen?
    Zwei konnten nicht mitkommen. Nina gehörte zu denen, die konnten.
    Sie gingen wieder ins Haus und kneteten weiter ihren Ton.
    Es war

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