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Die Puppe an der Decke

Die Puppe an der Decke

Titel: Die Puppe an der Decke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingvar Ambjörnsen
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Mann mit dem herausoperierten Blinddarm, zwei Kindern im Teenageralter, einem Ferienhaus im Hafjell und oberflächlichen Kenntnissen der Transzendentalen Meditation.
    Aus dem Nachtbuch:
    Wer bin ich, die hier draußen in der Dunkelheit steht und in die beleuchteten Räume hineinschaut? Die sieht, wie er von der Küche ins Wohnzimmer geht, vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer, von der Toilette ins Badezimmer? Bei jeder Art Wetter stehe ich hier, oder ich sitze im Auto und fülle den Aschenbecher mit heißgerauchten Kippen. Ich gehe hinter ihm her die Straßen auf und ab, ich halte Distanz, für ihn habe ich kein Gesicht, es kommt vor, dass ich ihn aus den Augen verliere, das macht nichts, ich hole ihn wieder ein: in den Monaten, in denen er eingeschlossen war, blieb mir nur das leere Haus in Asker, aber seltsamerweise ergab auch das einen Sinn. Stundenlang vor dem abgeschlossenen Haus; nicht einmal eine Lampe über der Tür, zu Hause habe ich dann immer gelogen, habe Theater mit Freundinnen angeführt, Kino, was auch immer. Sie haben mir geglaubt. Ich weiß, dass sie mir geglaubt haben. Ich saß da und sah die Welt mit Stinas Augen, das heißt, mit den Augen, die Stina dann später bekommen sollte, den Augen, die keinen Farbsinn hatten, aber ich ließ mir nichts anmerken, ich war die Starke, ich musste alles im Griff behalten, musste dafür sorgen, dass die Welt nicht einstürzte. Jetzt habe ich mir seine Augen zugelegt, ich sehe Fleisch, wenn ich ihn ansehe, jawohl – Fleisch, achtzig Kilo Fleisch, so läuft er hier durch die Stadt und denkt – ich weiß nicht, was, ich glaube, er denkt an Fleisch, jetzt, wie damals, er hat einen kleinen Sohn, aber er denkt an Fleisch, Fleisch, wenn Nina nach Hause kommt und nach Wein duftet, nach einem Abend in der Stadt, zusammen mit einer Mitverschworenen aus dem Schlammkurs, sie hängt ihren Mantel auf und erzählt von mir, während sie nach Rotwein duftet und munter und fröhlich ist, hier passiert so wenig, sie hat so wenig Kontakt, das hat sie gesagt, jetzt hat sie mich. Jetzt ist Niels Petter angesagt, nicht mehr und nicht weniger, und das ist viel, viel.
    Ich habe keine Verwendung für Ulf Pettersen. Das ist schade, aber nicht zu ändern. Es tut fast weh, denn ich habe fast zwei Stunden lang seinen dicken Schwanz über die feuchten Lippen gleiten sehen, er hätte ein guter Spielkamerad für Niels Petter werden können, aber das wird zu eng, niemand aus dem Schlammkurs, nur Nina und ich. Es ist so seltsam. Jetzt sitzt sie da draußen im Stjernesti und redet über mich.
    Um kurz nach eins löschte sie alle Lampen und blieb am Fenster sitzen. Sie konnte die kurzen Lichtrunden des Leuchtturms sehen und die dunkle Landzunge auf dem anderen Fjordufer gerade noch ahnen. Sie war schläfrig, leicht beschwipst, und stellte sich den großen Mann in einem kleinen Haus vor, Blindrahmen, nackte Leinwand und halbfertige Gemälde. Er saß in einem alten Ledersessel, mit einem Pinsel im Mund; er saß da im harten Licht der kräftigen Lampen und betrachtete einige frische Pinselstriche. Der Wind vom Meer. Wellen, die gegen vereiste Felsen am Strand schlagen. Das Mobiltelefon, das fiept und ihn aus seiner eigenen Welt reißt.
    »Ich kann nicht schlafen«, sagte sie. »Ich bin müde wie eine Hundehaut, aber ich kann nicht schlafen.«
    »Dann bleib eben wach. Du kannst doch wachen und beten!« Er lachte. »Wenn du nicht getrunken hättest, könntest du dich ins Auto setzen und herkommen.«
    »Kannst du das hören? Dass ich getrunken habe?«
    »Ich höre mindestens zwei Flaschen Rotwein. Vielleicht auch mehr. War der Kurs schlimmer als erwartet?«
    »Er war klebrig und schmierig, aber ich glaube, er ist das Geld wert. Arbeitest du?«
    »Nein. Dann wäre das Telefon nicht eingeschaltet. Ich glotze die Decke an. Die ist undicht, aber ihr Anblick ist beruhigend.«
    »Du hättest mir nicht von dem Hund erzählen dürfen. Ich habe von ihm geträumt. Ich habe geträumt, dass ich ihn in Stücke geschnitten habe, während du ihn festhieltest.«
    »Nicht schlecht. Was ist mit deinem kleinen Finger passiert, Rebekka? Hat dich jemand festgehalten, während er abgeschnitten wurde?«
    »Das war eine Kellerluke. Sie wog eine Tonne.«
    »Wir sterben doch die ganze Zeit. Die ganze Zeit fallen Stücke von uns ab. Hast du gewusst, dass siebzig Prozent von dem, was wir als Hausstaub bezeichnen, aus toten Zellen besteht?«
    »Ich war auf der Vernissage, Leo. Ich war am Freitag da, nicht am Montag.«
    …
    »Bist du

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