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Die Puppe an der Decke

Die Puppe an der Decke

Titel: Die Puppe an der Decke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingvar Ambjörnsen
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dieser Stadt warm zu werden, und damit haben wir gleich einige Gemeinsamkeiten. Sie hat eine vierjährige Tochter, einen kleinen Sonnenstrahl, die mich schon Tante nennt. Ihr Lebensgefährte arbeitet in einer Anwaltskanzlei. Sie haben mich für nächsten Samstag zu sich nach Nybyen zum Essen eingeladen. Es ist schon seltsam, denn wenn ich mit Niels und Bente und der Kleinen zusammen bin, dann fühle ich mich sozusagen in der Zeit zurückversetzt. Dann fallen mir die guten Jahre zusammen mit Konrad ein, als die Kinder noch klein waren. Sie sind so jung und blicken mit so großem Optimismus in die Zukunft. Als alte Tante bin ich natürlich gern bereit, ab und zu die Babysitterin zu spielen.
    Ich denke an dich, Stina. Ganz oft! Das Haus ist so leer und einsam, aber trotzdem glaube ich für Momente Bruchstücke aus Gesprächen von damals zu hören. Bilder zu sehen. Oma, die an dem alten Holzherd kocht. Du und Opa, die unten im Garten Schmetterlinge fangen. Du warst so braun, du bist damals immer wochenlang nackt herumgelaufen … Ich denke oft, dass die Zeit im Kreis geht, und nicht geradeaus, so wie wir in unserer Kultur den Zeitbegriff auffassen. Dass alles gleichzeitig geschieht und sich in einem gewaltigen Tableau aus Farben und Formen, aus Gefühlen, Träumen und Gehöreindrücken ausbreitet. Wenn man das so sieht, dann sind wir noch immer die unberührten Kinder, die wir waren, und den Tod tragen wir in uns als eine Erfahrung unmittelbar unter der Oberfläche der Erkenntnis. Ich kann stundenlang am Fenster sitzen und auf die Bäume im Garten hinausblicken. Auf die Zweige, die sich im Wind bewegen. Dieser Anblick hat etwas Hypnotisches, er zieht in etwas anderes hinein, in etwas, das dahinter liegt. Ich stelle mir vor, dass wir durch eine Wirklichkeit waten, in der unsere Auffassung unserer physischen Umgebung nur ein kleiner Teil eines unendlichen Ganzen ist, der alleräußerste Teil einer Speerspitze. Dass alles, was wir tun und denken, nur ein Spiegelbild des Wirklichen ist. Du sprichst nicht mehr. Na gut. Aber dann ist dein Schweigen wohl eine Art Echo aus den geschlossenen Räumen, die du in dir trägst. Ich verstehe dich nicht. Vielleicht habe ich dich nie verstanden. Aber ich bin für einige kurze Jahre zusammen mit dir hier. Als du zum ersten Mal versucht hast, dir das Leben zu nehmen, bin ich in Panik geraten, ich war einfach außer mir. Und am Ende war ich dann vor allem wütend. Nicht, weil du mir das angetan hattest, uns, Harald und den Kindern, sondern weil ich nicht wollte, dass du seinetwegen den Kopf aufs Schafott legen solltest – und für alles, was er repräsentiert. Ich glaube an das Böse als etwas ganz Konkretes. Ich glaube an einen Kampf zwischen Gut und Böse, daran, dass dieser Kampf sich in unserem eigenen Fleisch und Blut abspielt. Dort draußen gibt es etwas, das wir nicht spüren können, einen schwarzen Ursprung, der ihm und dir dieselben Impulse schickt. Wenn du dir das Leben nimmst, dann vollendest du eine Handlungsreihe, die über ihn angeworfen worden ist, in dieser elenden Dezembernacht. Ich sage »über ihn«, denn er ist eine Puppe, die an Fäden baumelt, von denen er nichts weiß und die niemand sehen kann. Ich weiß, dass du nicht antworten wirst, deshalb bitte ich dich auch nicht darum. Aber schick mir bitte ab und zu einen Gedanken, ja? Und sei umarmt von Rebekka
    Sie wartete drei Tage lang vor dem Büro im Auto auf ihn, und drei Tage lang kam er wie immer pünktlich, nichts an ihm wies auf irgendeine Form von Veränderung hin, er war derselbe, der energische Niels Petter Holand, der seine Arbeit tun, der Frau und Kind versorgen musste, er nahm immer drei Treppenstufen auf einmal, er war so stark, und darüber freute sie sich. Ja, sie freute sich, sie saß in dem verräucherten Wagen und spürte, wie Wärme sich in ihr ausbreitete, wenn sie ihn sah, weil diese viele Kraft, dieser Überschuss an Energie, den er ausstrahlte, von nun an ihr gehörten.
    Montag, Dienstag, Mittwoch.
    Am Donnerstag kam er nicht. Sie wartete zwei Stunden auf ihn, aber er kam nicht.
    Später fuhr sie auf den schmalen Straßen über Land. Hier und dort lagen Schneeflecken, und im Schatten eines hohen Waldes war der Asphalt von einer dünnen Eisschicht bedeckt. Oben im Tal lagen verstreut die kleinen Höfe und ab und zu ein einzelnes Wohnhaus. Sie dachte, auch hier leben Menschen, hier stehen sie aus ihren warmen Betten auf und gehen zur Arbeit, hier lieben sie sich und zeugen Kinder, hier bringen sie

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