Die Puppe an der Decke
geblieben, aber dann dachte ich an das Bett im Mädchenzimmer, wir gingen ins Haus und tranken Kaffee, und dann fuhr ich nach Hause. Auf halbem Weg zur Stadt hielt ich an, bei einer Noroil-Tankstelle, die in meiner Kindheit BP geheißen hatte. Es war nach halb drei, nirgendwo war ein Mensch zu sehen, aber in der Tankstelle und in der Telefonzelle beim Eingang zu den Toiletten brannte Licht. Ich wählte die Nummer von Niels Petter und Nina, und ich ließ es lange, lange klingeln, bis Nina sich ängstlich meldete. Ich stellte sie mir barfuß auf dem neuen Parkett vor, sie wollte so gern mit jemandem sprechen, mit mir, aber ich stand nur dort und beobachtete mein Spiegelbild in der Fensterscheibe, bis sie auflegte. Ich freute mich darauf, mit ihr in Leos Ausstellung zu gehen. Ich freute mich darüber, dass sie außer denen, die sie mit Niels Petter teilen konnte, noch andere Interessen hatte.
Als ich nach Hause kam, konnte ich einfach nicht schlafen, ich hatte wohl zu viel gegessen, aufgeregt war ich auch, ich weiß nicht so recht, warum. Ich öffnete eine Flasche Wein und lief im Wohnzimmer hin und her und trank dabei große Schlucke. Ich redete laut mit mir selbst oder mit den Wänden, ich ahmte Niels Petter Holands Stimme nach, so, wie sie in meiner Erinnerung klang. Dass es in einer Kleinstadt wie dieser hier eine Motorradbande gibt, ist ein Unding, sagte ich. Sie handeln mit Drogen. Sie trinken und schlagen andere windelweich. Diesem Treiben muss jetzt bald ein Ende gesetzt werden. Es ist eine falsch verstandene Form von Toleranz, eine Missdeutung von Wörtern wie Freiheit und Gleichheit, wenn man solches Gesindel einfach gewähren lässt. Ich muss hier an diesem Ort einen Sohn großziehen. Ich bezahle meine Steuern und erwarte dafür eine Gegenleistung. Ich leerte die Flasche und öffnete eine weitere. Draußen war es noch immer stockdunkel, nicht einmal am Horizont des Osthimmels war ein grauer Streifen zu sehen. Ich stellte mir vor, dass die Nacht andauern würde, bis ich aufgeräumt hätte. Ich holte mir die Gummihandschuhe und setzte mich vor den Computer.
Sie wollte den Brief sofort aufgeben, doch der Wein machte sich bemerkbar. Es war Viertel vor fünf. Sie setzte sich in den Sessel vor dem Kamin, noch immer mit den Gummihandschuhen an den Händen, und schlief ein.
12
Nina hielt auf der anderen Straßenseite und hob den Jungen aus dem Kindersitz. Der Wind ließ ihre Haare tanzen, als sie das Auto abschloss und zum Zebrastreifen ging. Sie trug Jeans und unter einer Lammfellweste einen dicken grünen Wollpullover. In der engen Straße herrschte reger Verkehr, sie betrachtete die Fenster des Fønix, hielt das Kind an der Hand und wartete auf Grün.
Rebekka winkte und Nina winkte zurück. Dann hob sie das Kind auf ihre Hüfte und zeigte über die Straße.
Wie alltäglich, dachte sie. Zwei Freundinnen treffen sich im Café. Das passiert auf der ganzen Welt, in jeder Stadt, an jedem Tag. Kaffee. Ein Stück Kuchen, vielleicht ein Butterbrot. Das leichte Geplauder oder die tiefen Herzensergüsse. Es ist so leicht.
Grün. Der grüne Mann, der zum Gehen auffordert.
Nina trug ihren Sohn über den Zebrastreifen und setzte ihn dann vorsichtig ab. Und dann waren die beiden erst wieder zu sehen, als sie in der Tür standen.
»Ich bin an der Stelle, wo die Straße eingebrochen ist, steckengeblieben«, sagte sie und zog dem Kind den Overall aus. »Tut mir Leid.«
»Ich habe nicht mal auf die Uhr geschaut«, sagte Rebekka. Sie begrüßte den Kleinen auf Babysprache, er lächelte zurück. »Der ist aber niedlich.«
»Er kommt nach seinem Vater.«
Sie gingen zur Vitrine mit den belegten Broten.
Rebekka dachte: das stimmt. Die Augen. Die Stirn. Als Erwachsener wird er schöne Hände haben.
Nina setzte sich und fuhr mit der Hand durch ihre vollen Haare. »Ich soll übrigens grüßen. Er findet es schön, dass ich jetzt eine Bekannte habe. Um ganz ehrlich zu sein, es war für mich nicht leicht, mich hier einzugewöhnen. Sogar meine Stimme hat bisweilen sehr darunter gelitten. Ich freue mich auf die Ausstellung.«
»Das ist ziemlich harter Tobak.« Rebekka lachte.
»Nur, damit du gewarnt bist.«
Nina aß gierig ihr mit einer Frikadelle belegtes Brot und sprach mit vollem Mund. »Ich kenne andere Bilder von ihm. Die sind wirklich reichlich bizarr, aber er hat eine Kraft, die mir gefällt. Die meisten Leute hier unten halten ihn für ziemlich verrückt, aber etwas anderes wäre ja wohl kaum zu erwarten.«
»Und ich
Weitere Kostenlose Bücher