Die Puppe an der Decke
glaube, ihm gefällt das recht gut.«
»Kennst du ihn?«
Rebekka schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn vor einiger Zeit von Holmestrand mit nach hier genommen, als er per Anhalter unterwegs war. Und hier läuft man sich ja ab und zu über den Weg. Wir haben zweimal zusammen gegessen.«
Nina hob die Augenbrauen. »Ach was!«
»Aber nein, ganz ruhig. Ich weiß ziemlich genau, was meine jetzige Freiheit wert ist. Und außerdem wirkt er auf irgendeine Weise total neutral in Bezug auf … ich weiß nicht.«
»Scharfer Typ. Hältst du ihn für schwul?«
»Nein, das glaube ich eigentlich nicht. Aber ab und zu frage ich mich, ob er überhaupt irgendetwas ist. Er ist enthusiastisch, großzügig, aber in mir sucht er einwandfrei nur eine Gesprächspartnerin.«
»Vielleicht geht er ja nur ein bisschen geschickter vor als die breite Masse?« Nina lächelte.
Rebekka gab sich Feuer. »Wenn er so geschickt ist, dann soll er auch zum Zuge kommen. Ein-oder zweimal.«
Sie lachten.
»Du siehst ein bisschen erschöpft aus, meine Liebe. Deine Augen kommen mir so müde vor.«
»Ich finde, du siehst müde aus, Nina. Musst du oft Nachtwache halten? Ich weiß noch, wie meine klein waren. Vor allem Eivind hat uns fast zum Wahnsinn getrieben.«
Sie schüttelte den Kopf. »Er schläft jede Nacht wie ein Stein. Aber irgendein Idiot ruft uns zu den unmöglichsten Zeiten an. Wir müssen nachts den Telefonstecker herausziehen. Aber tagsüber … o verdammt, ich will doch nicht vollständig isoliert da herumsitzen. Und Niels Petter bringt abends oft Arbeit mit nach Hause. Er hat natürlich auch ein Mobiltelefon, aber trotzdem …«
»Sauereien?«
»Nein. Nicht ein Wort. Nicht ein einziges Sterbenswörtchen. Ich begreife das alles überhaupt nicht. Auf irgendeine Weise finde ich es so noch widerlicher, als wenn er die üblichen Sprüche brächte. Niels Petter wird einfach nur wütend, aber mich macht dieser Quatsch nervös. Allein das Wissen, dass irgendein Halbirrer seine Zeit damit verbringt, dir Stress zu machen!«
»Ich finde, du solltest mal mit der Polizei sprechen«, sagte Rebekka. »Vielleicht können sie nicht sehr viel unternehmen, aber ich glaube, so was ist wichtig für das eigene Selbstwertgefühl. Dass wir uns nicht alles blind gefallen lassen. Außerdem handelt es sich ja vielleicht wirklich um einen Verrückten. Und dann kann es wichtig sein, dass die Polizei auf dem Laufenden ist.«
»Himmel, sag doch so was nicht!«
»Kein abgewiesener Liebhaber? Kein halb verrückter Ex? In irgendeiner Zeitschrift habe ich gelesen, dass in solchen Fällen zumeist ein eifersüchtiger Mann dahintersteckt. Falls der Irrsinn kein System aufweist, meine ich. Wenn es nicht irgendein zufälliger Wichser ist, der deine Nummer im Telefonbuch gefunden hat.«
Nina schüttelte den Kopf. »Ich wüsste nicht, wer das sein sollte. Mit solchen Männern hatte ich noch nie etwas zu tun. Da hab ich Glück gehabt. Außerdem … es ist doch auch möglich, dass er es auf Niels Petter abgesehen hat.«
»Mm. Was macht der eigentlich?«
»Er ist Bauunternehmer.«
»Unzufriedener Kunde vielleicht.«
»Das habe ich mir auch schon überlegt. Aber unzufriedene Kunden äußern sich normalerweise am Telefon laut und deutlich.«
Aus dem Nachtbuch:
Sie hat Glück gehabt. Einwandfrei. Sie hatte noch nie etwas mit gerissenen Psychopathen zu tun. Sie kriecht jede Nacht zu Niels Petter Holand ins Bett (er lässt grüßen!), und da fühlt sie sich geborgen. Ist es wirklich möglich, dass er sie noch nicht geschlagen hat? Ein seltsamer Mann. Ein wandelndes Mysterium. Stina hat mir immer wieder erzählt, wie er sie so fest an den Haaren gepackt hat, dass ihre Kopfhaut gerissen ist, während er mit der rechten Hand den Yale-Schlüssel unter ihren Augapfel presste und ihr erklärte, was alles passieren könnte, wenn sie beim Schwanzlutschen ihre Zähne nicht unter Kontrolle hielte. Braver Junge. Danach schob er sich zwischen alle Finger einen Schlüssel, ballte eine Faust und schloss sie von unten her auf.
»Komm«, sagte Rebekka. »Jetzt sehen wir uns das Fleisch an.«
13
Im Haus, Dez. Nacht
Liebe Stina!
jetzt bin ich schon seit mehreren Wochen hier unten. Ich will nicht behaupten, ich hätte das Gefühl, gestern erst gekommen zu sein, aber die Tage und Nächte rinnen mir so durch die Finger. Ich hatte ganz vergessen, wie still es hier im Winter ist. Die Stadt scheint den Atem anzuhalten, während sie auf einen neuen Frühling und Sommer wartet. Ich bin allein
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