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Die Puppe an der Decke

Die Puppe an der Decke

Titel: Die Puppe an der Decke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingvar Ambjörnsen
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jedem einzelnen Haus in Stadt und Dorf, während die Mägen nach der kräftigen Kost grummeln und die Spülmaschinen im Hintergrund laufen und laufen.
    Absolut gegen ihren Willen fühlt sie sich wohl. Aquavit und Wein haben sie warm und mild gemacht, und jetzt genießt sie es, hier in diesem vielen Glück zu sitzen. Sie sieht Niels Petters ein wenig deformierte Hand an, die Pakete austeilt und die sich nicht halten kann, wenn sie in die Nähe des Jungen kommt, die ihn immer wieder streichelt, seinen Kopf, seine Schultern, seinen Rücken, die streichelt und streichelt. Und sein Blick, hinter der blödsinnigen Maske, mild, weich, diese Augen, die das gesehen haben, was sie selbst nicht gesehen hat, was ihr nur weinend erzählt worden ist; Stina, die auf die Knie fällt, um ihn leerzusaugen, während ihr ein Messingschlüssel unter das Auge gepresst wird.
    Sie singen Stille Nacht und packen aus. Alle vier knien in einem immer noch wachsenden Haufen aus buntem Papier, Namensschildern und Schleifchen. Gegenständen. Immer neue Gegenstände tauchen in der gedämpften Beleuchtung auf, im gelben Licht des Kaminfeuers, dem einer einzelnen Lampe und einer unbekannten Anzahl von Kerzen in allen Größen und Formen. Es riecht nach Rippe, Stearin und Räucherkerzen, und zum Vorschein kommen Hemden und Schlipse, Bademantel, Pantoffeln, Lego, Teddybär und Stoffgiraffe, eine Uhr für Mutter und eine Aktentasche für Vater, drei Kalender, ein Pullover für Mutter, ein Auto mit Fernsteuerung für Simen, ein Buch für Simen, Schokolade für Simen und ein wunderschöner Schal für sie selbst; sie ist zutiefst gerührt, sie ist fast ein wenig gerührt, und sie hört sich »also wirklich« und anderen Unsinn sagen, dann wird das harte Paket von Tante Frida für Simen ausgepackt, von Tante Frida, die Simen noch nie gesehen hat, Vater und Mutter tauschen einen seltsamen Blick, es ist nicht leicht für eine Fremde, diesen Blick zu deuten, es handelt sich um eine Plastikdose, vielleicht eine Essensdose, aber sie ist mit Klebeband verschlossen, damit die Süßigkeiten nicht herausfallen, Vater muss das viele Klebeband mit seinem neuen Taschenmesser zerschneiden, und dann heben Mutter und Simen zusammen den Deckel ab und Mutter schreit, als gebäre sie gerade einen Fußball, sie schreit und fährt heftig zurück und alle Augen, alle großen klebrigen Tieraugen fließen über den Teppich, und dann ist der Junge an der Reihe, er hat keine Angst vor diesen Augen, aber er hat seine Mutter noch nie so gesehen, sie liegt halbwegs unter dem Weihnachtsbaum auf der Seite und heult.
    Der Weihnachtsmann springt auf und schreit, was zum Teufel, während er immer wieder mit seiner wehen Hand gegen die Kiefernholztäfelung schlägt.
    Und dann passiert das Bemerkenswerte, das, woran sie sich bis ans Ende ihres Lebens erinnern wird. Der kleine Junge dreht sich zum Weihnachtsmann um und schlägt mit harten kleinen Fäusten auf ihn ein.
    Es ist die Heilige Nacht, und sie lässt sich zur Stadt fahren. Auf der rechten Seite liegt der blanke stille Fjord, am Hang auf dem anderen Ufer sieht sie die Häuser mit ihren leuchtenden Wohnzimmer-und Küchenfenstern; über diesem Bild liegt eine Sattheit, eine unschuldige Sattheit, sie denkt, hier leben sie ihre Leben außerhalb der Welt.
    Sie rauchen. Sie raucht und der Taxifahrer raucht, hier sitzen sie und brechen gemeinsam die Vorschriften, das haben sie miteinander abgesprochen. Das Taxameter läuft, tickt neue Zahlen heraus, die ganze Zeit neue Zahlen. Es ist ein junger Fahrer, er ist glatt und jung und seine Vorfahren haben anderswo auf diesem Planeten gehaust.
    Er fragt: »Haben Sie etwas Schönes bekommen? Pantoffeln?«
    »Pantoffeln sind nichts Schönes.«
    »Was ist denn schön?«
    »Schön ist, mit Menschen zusammenzusein, die wir lieben.«
    Er nickt ernsthaft. Der Zigarettenrauch quillt aus seinen Nasenlöchern, und er nickt ernsthaft. »Das gelingt euch nicht sehr gut. Es gelingt euch nicht sehr gut, euch umeinander zu kümmern.«
    Da hast du Recht, denkt sie. Aber ich möchte mir von meiner Schwiegertochter nicht den Hintern abwischen lassen.
    Sie sagt: »Umdrehen.«
    »Umdrehen?«
    »Ja, umdrehen.«
    Er dreht.
    »Fahren Sie zum Solheimstrand.«
    »Zum Solheimstrand? Jetzt?«
    »Ja, sicher. Ich bin nicht verrückt.«
    Er schüttelt den Kopf und gibt Gas.
    »Feiern Sie Ramadan?«
    »Sicher.«
    »Das mit dem Fasten beeindruckt mich nicht sehr. Ich habe ein Interview mit einer Frau aus Pakistan gelesen. Sie hat

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