Die Puppe an der Decke
Kindes, und er lacht laut und spritzt Fett über die weiße Tischdecke, nur einen dünnen, fast unsichtbaren Streifen, aber es ist eben doch Rippenfett, geschmolzenes Schwein, das Schwein sitzt hier und feiert den Heiligen Abend, und sie kann nur einen lautlosen Furz von sich geben, der dem Kind zugeschrieben wird, da es ein Furz von der Sorte ist, die an einem Esstisch auffällt. Mehr Schwein? Mehr Schwein! Viel mehr Schwein, her mit dem Schwein, es eilt, die Därme schreien nach immer mehr Schwein. Knusprige Schwarte. Fester Kurs. Nina lächelt matt angesichts von so viel Glück und zermatscht Kartoffeln und Soße, der rote Schlund des Jungen, Nina sieht ein Vogeljunges ohne Federn, es gibt nur diesen Schlund, diesen klaffenden Schlund, den Darm, der nach Nahrung schreit, zuerst die Milch der Mutter, dann Soße und Kartoffeln, totes Fleisch. Weiter! Weiter, weiter! Reispudding mit roter Soße, dicker, halb geronnener Soße, es ist echte Holundersoße, Soße, Soße, Soße, die nie in einem Laden gewesen ist, Ninas Mutter zeichnet für dieses Wunder verantwortlich, sie hat in Kristiansand im Garten gestanden und die Beeren von einem Strauch gezupft, sie hat Saft gekocht und gepanscht, geschlabbert und geplappert, sie hat an ihr Kind gedacht, das jetzt selbst Mutter ist und mit Niels Petter Holand zusammenwohnt. Die jungen Leute brauchen rote Soße zum Reispudding, echte Soße aus echten Beeren, Soße, die sie an ihre eigene Kindheit erinnert, die sie nie vergisst. Niels Petter ließ sich im Sessel zurücksinken und stöhnte. Rebekka sah ihn an, sah sein dämliches Lächeln und dachte, nein, begriff, dass er so, genau so aussah, eine Sekunde, nachdem es ihm gekommen war. Nachdem er sich tief, tief in Ninas rotes Fleisch ergossen hatte.
»Satt?« Nina lachte. Nina lachte so leicht.
Er schloss die Augen. »Ich platze.«
Nina schenkte ihm mehr Aquavit ein, und er wurde von diesem Geräusch zum Leben erweckt, er packte sein Glas und kippte den Schnaps in sich hinein.
Rebekka streckte die Hand nach der Flasche aus und füllte ihr eigenes Glas.
»Es sollte verboten werden, es so gut zu haben«, sagte er. »Streng verboten. Aber wo steckt die Mandel?«
»Herrgott«, sagte Nina. »Die habe ich vergessen.«
»Auch gut«, sagte er. »Dann brauchen wir sie nicht in Simens Portion zu schmuggeln.« Er lächelte. »Denn du kriegst doch das Marzipanschwein, nicht wahr?«
Der Junge nickte ernst.
Mehr Schwein. Noch mehr Schwein.
»Aber die Frage ist doch, ob dieses Jahr der Weihnachtsmann kommt«, sagte Nina und zauste ihm die Haare. »Glaubst du das?«
Wieder nickte der Junge. »Das glaube ich.«
»Ja, wenn alle satt sind …« Nina ließ ihren Blick von Rebekka zu Niels Petter wandern.
»Dann bleibt ihr beide sitzen«, sagte Niels Petter. Er erhob sich und fing an, den Tisch abzuräumen. »Ich hol uns einen Rotwein.«
Er trug Geschirr und Schüsseln in die Küche, wobei Simen ihm eifrig sekundierte.
Sie blieben sitzen und rauchten. Der Wein kam auf den Tisch und in die Gläser. In der Küche wurde die Spülmaschine eingeschaltet.
Es sollte verboten sein, es so gut zu haben, dachte Rebekka. Streng verboten.
Der Weihnachtsmann kommt. Hier kommt der Weihnachtsmann. Kaum ist Niels Petter zu den Nachbarn gegangen, um ihnen bei irgendetwas behilflich zu sein, schon kommt der Weihnachtsmann, mit Getöse schrecklich groß und mit tiefer Stimme. Der Junge steht mit seiner Mutter vor dem Weihnachtsbaum, er presst sich gegen die Mutter und seine Unterlippe zittert, aber er hält durch, das Eis trägt, er ist ein tüchtiger kleiner Junge, der sich nicht vor dem Weihnachtsmann fürchtet, obwohl sein Vater nicht da ist. Und als er den Jutesack sieht, der auf den Boden ausgeleert wird, die bunten Pakete, die über den Teppich schäumen, da ist es geschehen, er lässt sich gehen und jubelt, wie Kinder sich am Geburtstag des Jesuskindes gehen lassen und jubeln sollen. Von Mutter für Vater. Von Oma und Opa für Simen. Von Vater für Simen. Noch einmal von Vater für Simen. Von Mutter und Vater für Simen. Von Oma und Opa für Simen. Von Rebekka für Simen. Von Rebekka für Niels Petter. Von Vater für Mutter. Von Niels Petter und Nina für Rebekka. Für Rebekka von Nina. Von Onkel Truls und Tante Lene für Simen. Von Tante Frida für Simen. Von Mutter für Simen. Von der anderen Oma und dem anderen Opa für Simen. Diese herzenszitternden Geber-Mantren werden in diesem Moment wie in einer Messe im ganzen Land psalmodiert, in fast
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