Die Puppe: Psychothriller (German Edition)
Säulen, die ursprünglich aus mit Gips verputzten Eisenkernen bestanden hatten, die dann bemalt worden waren, damit sie wie Stein aussahen, war durch aufeinandergestapelte und angestrichene Hohlblocksteine ersetzt worden. Aber die Spitzbogenfenster und Schießscharten sind noch intakt.
Hartwool Hospital. Es liegt in Nordengland, in der Nähe von Rotherham. Er verschlingt den Text und murmelt beim Lesen die Worte vor sich hin wie ein Kleinkind mit seinem ersten Lesebuch.
Zahlreiche Fälle von Selbstverletzung wurden dem sogenannten »Sitzenden Dämon von Station B« zugeschrieben. Gerüchten zufolge handelte es sich um den Geist einer früheren Oberin, einer Zwergin, die Patienten misshandelte …
AJs Puls hämmert kraftvoll und laut in seinen Ohren.
Ein Selbstmordversuch, bei dem der Patient versucht, sich die Nase abzuschneiden …
Patientin X berichtet von einem Dämon, der auf ihrer Brust hockte, als sie aufwachte …
Fehlzeiten und Kündigungen seitens der Mitarbeiter schrieb man gelegentlich der Angst zu, es gebe dort ein zwergenhaftes Gespenst oder ein anderes unbekanntes Wesen, das sich bei den Patienten auf die Brust setzte …
… Halluzinationen und Wahnvorstellungen von Spukerscheinungen …
… diese grobe Skizze eines Zwerges auf der Brust eines Patienten wurde 1997 von einem Patienten …
Er starrt das Bild an. Es ist die Strichzeichnung einer dunklen Gestalt, die auf der Brust eines liegenden Patienten kauert. Daneben sieht man das Foto eines Grabsteins auf dem Gelände des inzwischen stillgelegten Krankenhauses.
Unsere Schwester Maude, eine unglückselige Zwergin,
die aus diesem Leben geschieden ist und deren Seele ewige Ruhe gefunden hat.
18. September 1893
AJ wirft einen Blick auf die Kopfzeile der Seite: Hartwool Hospital, Rotherham. Sein Puls schlägt jetzt ohrenbetäubend.
Hartwool Hospital ist das Krankenhaus, in dem Melanie beschäftigt war, bevor sie hergekommen ist.
Dort hat sie mit Jonathan Keay zusammengearbeitet.
Es ist nicht so, wie es aussieht
Penny Pilson hat ihn nicht zurückgerufen, und so fährt Caffery vorsichtig zurück ins Tal, über eine wacklige Brücke und hinauf zur Old Mill. Die Fensterläden sind alle noch geschlossen. Er klopft und versucht, durch die Herzlöcher ins Haus zu spähen, aber drinnen sieht alles dunkel aus. Er will gerade wieder ins Auto steigen, als er ein Geräusch hört – ein Schlurfen im Haus – und die Tür sich einen Spaltbreit öffnet.
»Hi.«
»Hi.«
Penny trägt eine Strickjacke und abgeschnittene Jeans, und sie verschränkt die Arme und schiebt die Hände unter die Achseln. Sie hat nackte Füße, und ihr Haar ist zerzaust und schmierig, als habe sie es mit fettigen Händen geknetet.
»Alles okay bei Ihnen?«
»Ja.« Sie trägt kein Make-up, aber als Caffery näher herankommt, ist er sicher, es liegt nicht nur an ihrem ungeschminkten Gesicht, dass sie verändert aussieht. Ihre Nervosität ist nicht die gleiche wie gestern. Sie ist anders. Ungewohnt reserviert. Als halte sie etwas zurück.
»Sicher?«
»Natürlich. Ich war im Bad, das ist alles.«
Er nickt ein bisschen überrascht. »Ich habe Ihnen eine Nachricht hinterlassen.«
»Ich weiß – ich hatte den ganzen Tag so viel zu tun – ich wollte Sie nach dem Abendbrot anrufen.«
Er taxiert sie aufmerksam. Sie hat ihn nicht hereingebeten, und sie hat sich so in die Tür gestellt, dass er nicht an ihr vorbeischauen kann. »Ich hatte eine Frage. Ich war da oben …« Er deutet mit dem Kinn nach The Wilds hinauf, zu der alten Eibe. »Und ich glaube, ich weiß jetzt, wo er wohnt.«
»Ja?«
»In The Wilds?«
»Ja. Sie haben recht. Da ist er immer hingegangen, als er noch auf der Farm wohnte.« Sie lächelt nichtssagend und will die Tür schließen.
»Warten Sie.« Caffery hebt die Hand. »Nur einen Moment – ich habe noch eine andere Frage.«
Sie zögert, und beinahe widerstrebend öffnet sie die Tür noch einmal. Er kann einen Blick in den Flur werfen. Kein Licht. Ein seltsamer Geruch. Vielleicht kocht sie etwas. Ihre Fingernägel sind zerbissen und wund.
»Ich habe etwas gefunden, das ich Ihnen zeigen wollte.«
Aus seiner Jackentasche zieht er die Puppe. Er hat sie in eine Plastiktüte gewickelt, die er jetzt vorsichtig öffnet und Penny entgegenhält. Sie starrt die Puppe an, und in ihrer Kehle arbeitet etwas.
»Ja«, sagt sie gepresst. »Die hat er gemacht.«
»Wissen Sie, wer das sein könnte?«
Sie schüttelt den Kopf. »Ich möchte das eigentlich nicht
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