Die Puppe: Psychothriller (German Edition)
zusammen. Während ich hier mit Ihnen rede, liegt vor mir ein Buch, das ich gefunden habe, und was sich in Hartwool abgespielt hat, ist Wort für Wort das, was hier in Beechway passiert ist. Die Patienten hatten genau die gleichen Wahnvorstellungen mit genau den gleichen Resultaten. Als Keay von Hartwool wegging, kam er hierher, und weniger als ein Jahr später fingen die gleichen Geschichten hier bei uns an.«
»Warum hat er gewechselt?«
»Die Klinik wurde geschlossen, im Rahmen der radikalen Kürzungen für die Psychiatrie. Er und äh – unsere Direktorin wurden gleichzeitig hierherversetzt. Sie wissen schon – Melanie.«
Cafferys Hände zögern über der Tastatur. Sein Blick wandert zu der Puppe. Die Initialen MA an dem Armband. Das blonde Haar. Er schiebt die Tastatur zur Seite und dreht sich mit dem Stuhl zur Tür, sodass er das geknebelte Gesicht nicht anschauen muss. Er nimmt sich Zeit und wählt seine Worte sorgfältig. Man soll die Leute niemals unnötig beunruhigen.
»Tatsächlich«, lügt er, »haben Sie mich da an etwas erinnert. Ich habe eine Nummer gesucht, unter der ich Ihre Direktorin erreiche.«
»Ich dachte, wir wären uns einig, dass Sie das nicht tun. Sie wollten abwarten«, sagt AJ argwöhnisch.
»Ich weiß.« Caffery möchte sich umdrehen und nach der Puppe sehen. Er spürt sie hinter sich, wie sie sich aus eigener Kraft aufrichtet. Eine Hand nach ihm ausstreckt. »Aber es kann nicht mehr warten.«
Am anderen Ende ist es still.
»Wissen Sie, wo sie ist? Ich muss sie sprechen. Sagen wir, es ist dringend.«
Es bleibt still.
»AJ?«
AJ atmet tief aus. »War ein hundsbeschissener Tag heute«, sagt er und klingt plötzlich schlaff und zerknirscht. »Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Ich habe versucht, sie anzurufen. Sie geht nicht ans Telefon. Ich glaube, weil sie schon weiß, was ich Ihnen gerade über Keay erzählt habe.«
»Sie weiß es?«
»Sie waren … sie waren zusammen. Ein paar Jahre. Und jetzt sind sie es nicht mehr. Er hat etwas mit all dem hier zu tun. Und ich glaube, sie weiß es – oder sie vermutet es.«
Caffery bemüht sich um einen leichten, unverbindlichen Tonfall. Fragen und Antworten treiben in seinem Kopf herum, lauter unausgereifte Gedanken. Noch immer widersteht er dem Drang, sich umzudrehen und die Puppe anzusehen. »Wissen Sie nicht, wo sie hin ist?«
»Nein. Warum?«
»Warum? Na, aus all den Gründen, die Sie mir gerade genannt haben. Vielleicht kann sie uns etwas Nützliches sagen.« Er pumpt Enthusiasmus in seine Stimme. »Und ich würde gern so bald wie möglich ein Wort mit ihr sprechen. Ja – geben Sie mir doch einfach ihre Kontaktdaten – Telefonnummer, Adresse. Ich glaube, wir statten ihr einen kurzen Höflichkeitsbesuch ab.«
Straßensperrung
AJ fährt zu schnell. Er kennt diese Straßen gut, und meistens ist er vertieft in die Farben der Bäume und der Blumen an den Hecken – manchmal zu sehr, um wichtige Dinge wie Tempolimits und andere Autofahrer noch wahrzunehmen. Aber heute Abend ist die Landschaft nur eine platte graue Wolke am Rande seiner Aufmerksamkeit. Ihn verzehrt die Sehnsucht danach, Melanie zu sehen.
Er hat sie ungefähr zwanzig Mal angerufen und ist jedes Mal auf der Mailbox gelandet. Er hat drei Nachrichten mit einem unterschiedlichen Ausmaß von Frustration, Wut und gezwungener Geduld hinterlassen. »Wir müssen darüber sprechen.« »Können wir uns unterhalten – ohne Schuldzuweisungen, ohne Zorn, nur unterhalten, um alles in Ordnung zu bringen?«
Er sagt nicht: Du musst erklären, welche Rolle Keay bei all dem spielt. Hast du ihn gedeckt? Hast du etwas gedeckt, das er zusammen mit Isaac ausgebrütet hat?
Es ist sechs, als er an ihrem Haus ankommt. Neun Minuten früher, als das Navigationssystem vorausgesagt hat. Als er in ihre Straße einbiegt und das blitzende Blaulicht mehrerer Fahrzeuge sieht, die vor ihm parken, weiß er, dass Melanie zehnfach bezahlt für das, was sie getan hat – was immer es ist. An der Einfahrt zur Straße ist ein Polizist in Uniform dabei, blau-weißes Absperrband abzuwickeln.
Eine Straßensperrung. Kein Tatort. Aber für AJ ist der Unterschied bedeutungslos.
Im Leerlauf lässt er den Wagen langsam auf den Polizisten zurollen. Der Officer blinzelt, denn die Scheinwerfer blenden ihn. Er hört auf, das Flatterband abzurollen, und neigt den Kopf, um kurz in das Funkgerät an seiner Reflektorjacke zu sprechen. Dann lässt er die Bandrolle sinken und kommt auf AJ zu. Dabei klatscht er in
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