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Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)

Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)

Titel: Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Als er wieder etwas erkennen konnte, hatte Poppy die Königin bereits eingepackt. Zum Glück war also wenigstens ihr Kopf mit dem schrecklich zwinkernden Auge verborgen.
    Als Zach durch die stillen Straßen nach Hause ging, wurden seine Turnschuhe nass vom Raureif auf dem Rasen. Mitten in der Nacht hing eine Stille über der Welt, als wäre außer ihm kein einziger Mensch wach. Sie schmeckte nach Magie und endlosen Möglichkeiten.
    Zach schlich wieder ins Haus und stand lange in der dunklen Küche, das Herz weit vor Freude darüber, etwas Außerordentliches zu wagen. Als er sich schließlich dem Vorratsschrank zuwandte, fühlte es sich an, als würde er sich für eine dieser langen fantastischen Missionen ausrüsten – jener Art, für die man eine Menge Dörrfleisch und etwas namens Schiffszwieback brauchte. Er hatte gelesen, dass sich die Soldaten im Bürgerkrieg davon ernährt hatten, und hielt es für eine Art Brot. So etwas hatte seine Mutter nicht, auch kein Lembasbrot, das Frodo und Sam auf dem Weg zum Schicksalsberg vor dem Verhungern gerettet hatte und das Zach immer an Matze erinnerte (die seine Mutter auch nicht vorrätig hatte). Stattdessen fand er eine Dose Orangenlimonade, ein Paket Salzkräcker, drei Apfelsinen, rote Weingummis und eine Dose Erdnussbutter und stopfte alles in seinen Rucksack.
    In seinem Zimmer zog Zach die Schlafanzughose aus und eine Jeans an, tauschte den Pullover gegen eine Reißverschlussjacke und packte noch ein paar Dinge ein, die man vielleicht gebrauchen konnte: dreiundzwanzig Dollar (seine Tante hatte ihm zwanzig zum Geburtstag geschickt), ein Buch über Giftpflanzen (falls sie in der Wildnis leben und sich von Beeren ernähren mussten, was zugegebenermaßen unwahrscheinlich war) und einen Schlafsack, der ihm mittlerweile zu kurz war. Als Decke konnte man ihn jedoch gut gebrauchen, wenn man den Reißverschluss ganz aufzog. Zach holte noch eine Taschenlampe aus dem Flurschrank und einen Klappspaten, der neben der Hintertür lehnte.
    Bevor er sich auf den Weg machte, schrieb er rasch die Notiz, ging noch mal nach oben und legte den Zettel auf sein Bett. Darauf stand:
    Bin f rüh au fg estan d en. S p ie l e j etzt Basket b a ll . Komme wahrschein l ich erst zum A b en d essen zurück.
    Oder auch nie , dachte er, doch das behielt er für sich.
    Als er das Haus verließ und leise die Tür schloss, fragte er sich noch einmal, ob das Ganze nicht doch ein Trick war. Eine Lüge oder Poppys verzweifelter Versuch, ein letztes Spiel zu beginnen.
    Doch die Asche hatte echt ausgesehen.
    Letztendlich wusste er nicht genau, ob er nun mitkam, weil er bereits halb an die Geistergeschichte glaubte oder weil er es gewohnt war, Poppys Regieanweisungen zu folgen, oder nur, weil es ihm erlaubte, wegzulaufen und trotzdem zurückkommen zu können.
    Wenn er wirklich wollte.

Sechstes Kapitel
    Geschichten ohne Happy End waren Zachary vertraut. Sein Vater nannte ihren Wohnort Westlich von Nirgendwo, Pennsylvania und behauptete, er grenze an Kannste Vergessen, West Virginia und Längst Vergessen , Ohio. Als Zach klein war, hatten diese Ortsnamen sich in seinen Ohren wie verzaubert angehört, bis er begriffen hatte, dass sie ironisch gemeint waren. Zachs Mutter war ausgebildete Kunsttherapeutin, hatte aber nur eine Anstellung in einer Jugendstrafanstalt gefunden. Wenn sie die Jugendlichen zu künstlerischen Leistungen ermutigen wollte, musste sie das Material selbst mitbringen und nach jeder Therapiestunde wieder einsammeln, weil ihr Vorgesetzter Angst hatte, sie würden sich mit den Filzstiften gegenseitig die Augen ausstechen.
    Die Eltern seiner Mutter, die mittlerweile nach Florida gezogen waren, erzählten gerne von früher. Sie berichteten, dass die von einem berühmten Architekten erbauten großen viktorianischen Häuser im Zentrum damals je nur eine Familie beherbergt hatten. Das war, bevor man sie in mehrere schäbige Wohnungen aufgeteilt hatte. Zachs Großmutter erzählte Geschichten über die Leute, die sie als kleines Mädchen gekannt hatte, die fortgezogen und woanders ihr Glück gemacht hatten. Die Geschichten waren am schönsten, wenn seine Eltern davon redeten, dass alles bald besser werden würde, obwohl keiner von beiden wirklich daran zu glauben schien und Zach selbst es auch nicht mehr tat.
    Als Zachs Vater vor drei Jahren ausgezogen war, hatte er behauptet, er würde in Philadelphia ein eigenes Restaurant aufmachen und nach Italien fahren, um zu

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