Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)
irgendwie schon.«
»Echt?« Alice schien das nicht zu gefallen.
»Ich hätte euch eher davon erzählen sollen«, sagte er.
»Es ist nur … « Alice sah nach unten auf ihre Hände, die sie im Schoß verkrampft hielt. »Ich möchte nicht an Eleanor glauben. Ich möchte nicht, dass ein Geist mit Poppy redet – und jetzt auch noch mit dir.«
»Darauf kannst du nicht ernsthaft neidisch sein … «
Sie unterbrach ihn und sprach sehr schnell. »Du verstehst mich nicht. Es kann keinen Geist geben, keinen echten. Denn wenn das so wäre, dann wird Poppy von einem x-beliebigen toten Mädchen verfolgt, aber meine toten Eltern können sich nicht einmal aufraffen, bei mir zu spuken.«
Wieder stand alles still, als hielte das Universum einen Augenblick lang den Atem an.
Alice wischte sich mit einer Hand über die Augen. Sie waren nass und glänzten von all den Tränen, die sie zurückhielt. »Was passiert, wenn wir die Königin begraben und Eleanor dann wirklich weg ist? Was ist, wenn wir sie wirklich zur Ruhe betten? Wenn das alles wahr ist? Heißt das, meine Eltern haben mich nicht einmal lieb genug, um sich zu verabschieden? Ich hatte keinen einzigen blöden Traum. Nicht einen.«
Zach erinnerte sich nur noch schwach an Alice’ Eltern. Er hatte vor Augen, wie er auf einem Linoleumboden saß und mit Alice in einer sonnendurchfluteten gelben Küche mit Matchboxautos spielte, während ihre Mutter ihnen Toast mit Marmelade machte und der Vater wegen seines Berufs am Gericht verrückte Krawatten trug. Und selbstverständlich wusste Zach noch, dass sie gestorben waren. Aber er dachte an sie nicht wie an Tote, so wie Geister Tote waren. Und er hatte noch nie darüber nachgedacht, wie es wäre, die Mission zu übernehmen, jemanden zu beerdigen, wenn die eigenen Eltern schon in einem Grab lagen.
Zach fühlte sich wie ein Idiot, weil er so gedankenlos gewesen war. Und er hatte keine Ahnung, ob er Alice irgendetwas Tröstliches sagen konnte, ohne sich noch mehr zum Idioten zu machen.
»Vielleicht haben wir nicht die Wahl, wenn wir tot sind.« Er ging neben ihr in die Hocke. »Und wahrscheinlich ist es scheiße, ein Geist zu sein.«
Schnaubend zog Alice einen Mundwinkel hoch. »Kann sein.«
Zweige knackten und sie hoben den Blick. Zach stand auf. Poppy kam auf sie zu; ihr Gesicht bot eine Mischung aus Erleichterung und Unbehagen.
»Ich glaube, ich weiß, wie wir in die Stadt kommen.«
Dreizehntes Kapitel
Obwohl es auf der Hauptstraße von East Liverpool viele große Schaufensterflächen und Geschäfte gab, waren viele davon geschlossen. Ein Laden hieß Hosen ohne Ende und war von oben bis unten mit Zetteln beklebt, auf denen SCHLUSSVERKAUF ! stand. Wegen Geschäftsaufgabe musste alles raus, doch die Zettel waren schon so vergilbt, dass die Geschäftsaufgabe auch Jahre hätte zurückliegen können. Der Inhaber stand in der Tür und rauchte eine Zigarette. Als Zach, Poppy und Alice an ihm vorbeigingen, hinterließen sie eine Spur aus Wassertropfen und ihre Schuhe machten platschende Geräusche. Poppy drückte die Königin unter der nassen Kapuzenjacke an ihre Brust. Das Gesicht der Puppe war abgewandt, sodass Zach nicht sehen konnte, ob ihre Wangen noch mehr Farbe angenommen hatten. Dann kamen sie an einem Glücksspielladen vorbei, an dem mehrere Fahrräder lehnten. Weitere Räder waren an einem nahen Stoppschild angeschlossen. Schließlich gelangten die Kinder zu einem Lokal. Es war das einzige Restaurant, das sie gesehen hatten, das tatsächlich geöffnet war.
Sie blieben stehen, um die Speisekarte an der Tür zu lesen.
»Ich habe noch vier Dollar und fünfundzwanzig Cent – und das Geld für die Rückfahrt«, sagte Zach. »Wie viel habt ihr?«
»Zum Ausgeben?«, fragte Poppy. »Nichts.«
»Acht fünfundsiebzig«, antwortete Alice und schob das Kleid hoch, um in den Taschen der Jeans zu suchen, die sie darunter trug.
»Nicht besonders viel, wenn wir das Geld für den Bus nicht angreifen wollen«, sagte Poppy. »Aber immerhin.«
Alice machte ein grimmiges Gesicht, als sie das Wort Bus hörte, doch sie sagte nichts. Das war einerseits gut, machte Zach aber andererseits nervös. Auf dem Weg vom Wald in die Stadt hatten sie nur besprochen, wie sie herausfinden konnten, wo sie waren. Er hatte keine Ahnung, ob die Mädchen sich nicht mehr streiten wollten oder ob sie sich auf eine noch schlimmere Auseinandersetzung vorbereiteten.
Mittlerweile stand er im Zentrum ihrer Auseinandersetzung, aber Zach war klar, dass sie
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