Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)
Puppe bewegte sich nicht von selbst – sie hatte nie die Vitrine verlassen und brauchte sie, um zu ihrem Grab zu kommen. Sie bewegte sich nicht.
Er hoffte inständig, dass sie sich wirklich nicht bewegte.
»Du weißt, wie wir gehen müssen, ja? Und du weißt auch, wo der Friedhof ist, oder?« Er dachte an den Moment zurück, bevor sie zu Hause in den Bus gestiegen waren. Da hatte er sie fast dasselbe gefragt. Das Grab liegt unter einer Weide. Eleanor sagt uns noch, wo genau.
Alice sah aus, als wollte sie eine böse Bemerkung machen.
Poppy nickte, doch sie sah sie nicht an. »Jep.«
»Das stimmt doch, oder?«, fragte Alice noch mal nach.
»Selbstverständlich«, erwiderte Poppy und sah erst Zach und dann Alice ins Gesicht. »Ich brauche nur einen Stadtplan.«
Zach wäre es lieber gewesen, wenn sie selbstbewusster gewirkt hätte, und noch lieber wäre es ihm gewesen, wenn sie nicht so einen Aufstand wegen der Puppenkönigin machen und aufhören würde zu tun, als sei sie besessen. Es gab vieles, was ihm lieb gewesen wäre.
Das Essen kostete sie alles, was sie außer dem Geld für die Rückfahrt noch hatten, und sie kramten das letzte Kleingeld aus ihren Taschen. Die Kellnerin lächelte ihnen zu, als sie das Lokal verließen, und Zach lächelte zurück, obwohl sie jetzt endgültig pleite waren.
»Hey«, sagte Alice und griff an Prospekten und Coupon-Zetteln vorbei nach einem groben Stadtplan für Touristen. Er verzeichnete keinen Friedhof, aber das Porzellanmuseum, mehrere Antiquitätengeschäfte für Porzellan und die Carnegie-Bibliothek. »Können wir damit etwas anfangen?«
»Die Bibliothek ist gut«, sagte Zach. »Dort gibt es genauere Stadtpläne. Aber mit dem hier kommen wir dahin.«
Dem Plan zufolge war es nicht weit zur Bibliothek. Jetzt, da sie etwas trockener war und sich satt gegessen hatte, machte Alice einen geradezu fröhlichen Eindruck. Zach vermutete, da mittlerweile klar war, dass sie richtig Ärger bekommen würde, hätte sie vielleicht aufgehört, sich darüber Sorgen zu machen. Sie übernahm die Führung, während Poppy hinter Zach herzockelte und die Königin umklammerte, als wäre die Puppe auf einmal viel schwerer geworden. Nach einer Weile kam die Bibliothek in Sicht, deren prächtige Fassade auf den Fluss hinausging. Das Gebäude aus rotem Backstein hatte weiß eingefasste Fenster und ein Kuppeldach.
Es wirkte fehl am Platz, zu vornehm für die Umgebung. Außerdem war die Bibliothek geschlossen, und zwar seit ein Uhr. Sie würde erst am Montagmorgen wieder öffnen.
»Wer schließt eine Bücherei am Wochenende?«, fragte Poppy und trat sachte mit der Schuhspitze gegen eine Stufe.
Zach zuckte die Achseln und drehte sich zu Alice um. Sie war neben einem Kellerfenster in die Hocke gegangen und drückte gegen den Rahmen.
»Was machst du da?«, flüsterte er.
Das Fenster glitt ein Stück nach oben und Alice schob ihren Stiefel in die Lücke. Dann versuchte sie, die Fensterscheibe noch weiter nach oben zu drücken. Irgendwie steckte sie fest; wahrscheinlich war das Holz aufgrund von Temperaturwechseln aufgequollen, zumal das Fenster möglicherweise seit Jahren unbenutzt war. »Wonach sieht es denn aus?«, fragte Alice.
»Nach einem Einbruch in ein öffentliches Gebäude. Für widerrechtliches Eindringen könnten wir verhaftet werden.«
»Soso«, sagte sie, als das Fenster plötzlich quietschend nachgab. »Aber genau das habe ich vor.«
»Na gut«, sagte Poppy. »Dann los.«
Alice schlängelte sich hinein, zögerte aber drinnen auf dem Fenstersims. Der Raum darunter war so dunkel, dass sie nicht sehen konnten, wohin sie springen würde.
»Alice«, sagte Zach warnend.
Sie sprang. Es gab einen lauten Aufprall und etwas Metallenes klirrte.
»Alice!«, quiekte Poppy.
»Pssst«, rief Alice zufrieden von unten aus der Dunkelheit. »Da könnt ihr mal sehen. So eine üble Abenteurerin bin ich gar nicht.«
»Das war fantastisch«, sagte Zach. »Lady Jaye hätte es nicht besser gemacht.«
»Nun, dann komm herunter, William.« Alice’ Stimme aus dem Dunkel hörte sich unheimlich verändert an. Es war, als würde er mit Alice und gleichzeitig mit ihrer Spielfigur sprechen. Einen Augenblick lang war Zach nicht sicher, wer dann er war. Und wer er eigentlich sein wollte, wusste er auch nicht, musste aber trotzdem grinsen wie ein Idiot.
Er warf einen Blick zurück zu Poppy. Sie sah total fertig aus, als würde sie von draußen durch ein Fenster auf etwas schauen, was sie unbedingt haben
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