Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)
wollte. Sie spielten und Zach war klar, dass sie wusste, er würde aufhören, wenn sie versuchen würde, mitzumachen. Er hatte kurz ein schlechtes Gewissen, doch dafür war er einfach zu glücklich. Es machte solchen Spaß, mit Alice so zu tun, als wäre er William, und es war lustig, sich in ein Gebäude zu schleichen, zumal am helllichten Tag, wenn selbst gruselige Dinge einen nicht schrecken konnten.
»Worauf bist du gelandet?«, rief er Alice zu und machte sich daran, seine Beine durch die Lücke zu schwingen.
»Auf einem Schreibtisch«, antwortete sie. »Warte eine Sekunde.«
Er hörte es rascheln und dann kippte wieder etwas um und fiel schwer auf den Boden. Dann gingen flackernd die Lampen an und erhellten einen Raum mit Schreibtischen und Aktenschränken aus Metall. Überall lagen Papierstapel – es war anscheinend eine Art Lagerraum.
Zach stieß sich ab und sprang über den Schreibtisch hinweg, auf dem Alice wahrscheinlich gelandet war, denn die Papiere lagen durcheinander und eine Schreibtischlampe hing an einem Kabel knapp über dem Boden. Zach landete direkt neben einem hohen Aktenschrank und wäre beinahe dagegengestoßen, als er versuchte, das Gleichgewicht zu halten.
»Wow, was ist das alles?«, fragte er und ging durch den Raum. Neben den Lampen standen Bücherstapel und alte Schwarz-Weiß-Fotografien der Stadt in sauberen schwarzen Rahmen mit gravierten Schildern. An der Rückwand stand ein Bücherregal mit altem Porzellan auf einem Brett.
Es war großartig, irgendwo zu sein, wo sie nicht hätten sein dürfen. Wie eben auf dem Boot. Das war ein richtiges Abenteuer im Stil von William und Lady Jaye.
»Hey! Kommt her und nehmt Eleanor!«, rief Poppy und hielt ihnen die Puppe entgegen, während sie sich durch das offene Fenster quetschte.
Zach platzierte die Königin auf einem Aktenschrank. Sie lag auf der Seite und beobachtete Zach vorwurfsvoll, als er Poppy herunterhalf. Ein kalter Luftzug brachte die Papiere durcheinander.
»Ohne Leiter können wir es nicht wieder schließen«, sagte Alice und zeigte auf das Fenster. »Es ist zu weit oben.«
»Wir bleiben nicht lange«, sagte Poppy, nahm die Puppenkönigin und ging zur Tür.
Zach stieß Alice mit dem Arm an, als sie hinter Poppy hergingen. »Du wirst das Haus doch nicht plündern, was, Jaye?«
»Kommt drauf an, was wir oben finden«, erwiderte sie, als sie in den dunklen Flur traten.
Im Keller der Bibliothek war es warm; es roch nach Holzpolitur und vergilbtem Papier. Zach atmete tief ein. Er hatte das Gefühl, sich zum ersten Mal entspannen zu können, seit sie in den Bus gestiegen waren. Sie mussten nicht frieren und aufpassen, wer vielleicht auf sie aufmerksam werden könnte, wie in dem Donutladen oder im Restaurant. Und es ging auch nicht um Leben oder Tod, wie auf dem Boot.
Außerdem gab es hier sehr viel zu sehen. Sie durchforsteten den Konferenzraum, die Toiletten und zwei weitere Lagerräume im Keller. In einer Vitrine standen Porzellanvasen, die leise klirrten, als sie daran vorbeiliefen.
Dann rannten sie die Treppe hoch und entdeckten das Kuppelgewölbe, die Eisengeländer und den Marmorboden. Eine Gedenktafel an der Wand schilderte Carnegie als berühmten Menschenfreund, der bettelarm in einer kleinen Stadt in Schottland zur Welt gekommen war. Dann hatte er im Stahlgeschäft viel Geld verdient, mit dem er gute Taten vollbrachte und nebenbei Bibliotheken an der Ostküste baute. Auf dem Bild sah er wie ein schlecht gelaunter alter Mann mit gestutztem Bart aus.
Er wirkte nicht wie jemand, der Geschichten liebte, doch das musste er Zachs Meinung nach getan haben. Warum hätte er sonst so viele Bibliotheken bauen sollen?
»Hey«, rief Poppy aus dem zweiten Stock. Dort gab es eine Rotunde mit Blick auf den Empfangstresen in der ersten Etage. »Das müsst ihr euch ansehen!«
Zach grinste und lief zur Treppe. Die Mission geriet in Vergessenheit.
Es hatte etwas, in einem leeren Gebäude allein zu sein. Es hatte etwas, die Treppe hochzuflitzen und sich weit über die Brüstung zu lehnen und zu schreien, bis das Echo von den Wänden hallte. Zach, Poppy und Alice rannten durch die Galerie und die großen Räume im oberen Stockwerk. Und ohne ein Wort darüber zu verlieren, fingen sie an zu spielen. Nicht ihr altes Spiel, das weiterhin verfänglich war, obwohl es den Weg für neue Spiele gebahnt hatte, sodass Alice und Zach beim Eindringen in die Bibliothek kurz in die Rollen ihrer Figuren geschlüpft waren. Erst taten Poppy und Zach
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