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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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ihre Beinverletzung immer noch schmerzte. Richard rief ihr nach, doch es war umsonst.
    »Laßt nur«, sagte der Angestellte, der ihn empfangen und die Verblüffung darüber, den Neffen des Herrn Fugger mit einem Zigeunerkind kommen zu sehen, noch immer nicht überwunden hatte. »In der Stadt gibt es Zigeuner. Sie wird schon zurechtkommen. Ihr solltet lieber nachsehen, ob das Balg euch nichts gestohlen hat.«
    Es zeigte sich, daß Saviya tatsächlich dasjenige von Richards Messern, mit dem er gegen den Räuber gekämpft hatte, entwendet hatte. Doch als Richard seine Satteltasche auspackte, fand er in einem Beutel eine schwarze Locke. Er hielt das Haar in der Hand und war sich ganz und gar nicht klar darüber, was er empfand. Er war nun in seinem Gelobten Land angekommen. Warum dann dieses schmerzliche Gefühl eines Verlustes?
    Richard verließ Bozen schon am nächsten Tag wieder, da er versuchen wollte, Anton Eberding noch vor Florenz einzuholen. Der Zufall wollte es, daß er sich einem der Eilboten, die das Unternehmen zwischen Bozen und Venedig beschäftigte, anschließen konnte. Mit frischen Pferden, wenig Gepäck, das Räuber anlocken könnte, und Geleitbriefen machten sie sich auf den Weg. Vor den Stadtmauern allerdings zügelte Richard sein Pferd und ritt zu jener Stelle, wo, wie der Leiter der Faktorei gesagt hatte, die Zigeuner lagerten. Er machte sich Sorgen um Saviyas Verletzung und konnte die Hoffnung nicht aufgeben, das seltsame Mädchen zu versöhnen.
    Richard fand die Zigeuner, doch jeder, den er fragte, leugnete, ein Mädchen gesehen zu haben, auf das seine Beschreibung paßte. In den dunklen Gesichtern las er Feindseligkeit und manchmal sogar Furcht.
    »Was wollt Ihr, Messer?« fragte ein Mann. »Beschuldigt man uns wieder, ein Kind gestohlen oder eine Frau entführt zu haben?«
    Es hatte keinen Sinn. Der Eilbote wartete, und bald schon ließen sie Bozen hinter sich.

17
    »D AS GIBT ES DOCH ALLES NICHT !« Richard lehnte sich aus einem der Fenster des Fondaco dei Tedeschi und deutete über die hölzerne Rialtobrücke hinweg in einer weiten Geste über die Dächer Venedigs. Die Häuser, die Palazzi, wie die Einheimischen sagten, glichen nichts, was er bisher gesehen hatte.
    Sie hatten mindestens drei Stockwerke, standen auf düsteren Fundamenten, doch bei den großen Fenstern der Beletage hatten die Architekten ihrer Phantasie freien Lauf gelassen. Viele Palazzi hatten auch einen Balkon mit zerbrechlich-zarten Säulen, ja, ein großer Teil der Gebäude schien nur aus überdachten Terrassen zu bestehen, auf denen sich das tägliche Leben abspielte. Die merkwürdigen Schornsteine, die sich auf jedem Dach in den Himmel reckten, glichen ebenfalls sorgsam verzierten Säulen mit einem mächtig gewölbten Kapitell.
    Wenn man hinunter auf das trübe, grüne Wasser der Kanäle blickte und dann wieder auf die schmalen hölzernen Brücken, so schien es, als ob die Palazzi steinerne Boote wären, die nur durch dieses dünne Band aus Holz zusammengehalten wurden.
    »Hänsle, ist dir klar, daß du in einem Traum lebst, der zu Stein und Wasser geworden ist?«
    Hans Ulrich Fugger seufzte. Er hatte sich seiner neuen Umgebung schon angepaßt und trug unter seinem purpurnen Umhang ein weißes Samtwams und unter den blauen Hosen Seidenstrümpfe in der gleichen Farbe.
    »Richard, du bist unverbesserlich! Ich weiß nur, daß ich hier mit den verdammten Welsern Tür an Tür leben muß.«
    Er zog eine Grimasse. »Was meinst du, warum du sofort hierhergebracht worden bist? Deutsche Kaufleute dürfen ausschließlich im Fondaco dei Tedeschi wohnen und ihren Handel betreiben. Ich gebe zu, die Lage ist sehr günstig, und die Fugger haben die meisten Räume, aber daß unsereins hier auf Schritt und Tritt auf einen der Gossembrots oder auf den arroganten jungen Welser stößt, der noch dazu auch Ulrich heißt …«
    »Sieh einfach in die andere Richtung«, riet ihm Richard.
    Hänsle grinste. »Du weißt das Schlimmste noch nicht. Die verdammte Serenissima gestattet einem nur geschäftliche Ausgänge! Gerade noch, daß man in seiner Freizeit die Messe besuchen kann!«
    Richard lachte. »Ich habe dir ja gesagt, daß du nicht viel von den Mädchen zu sehen bekommen wirst.«
    Hänsle stieß ihn mit dem Ellenbogen in die Rippen. »Weidet Euch nicht auch noch an meinem Schmerz, Onkel! Aber im Ernst, sie sind hier ziemlich gründlich. Man wird genau überwacht, und nicht nur die Fremden.«
    Er wies aus dem Fenster. »Am Dogenpalast sind

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