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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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gesprochen hätte!«
    Eberding, bemüht, die peinliche Klippe zu umschiffen, sagte hastig: »Apropos … Ich werde natürlich auch Messer Lorenzo aufsuchen. Wollt Ihr nicht mit mir kommen?«
    »Damit werdet Ihr zur Zeit kein Glück haben«, erwiderte Ridolfi, »Il Magnifico hält sich in seiner Villa auf, Poggio a Caiano. Er wird erst in etwa zwei Wochen nach Florenz zurückkehren, so heißt es jedenfalls. Das könnt Ihr mir glauben, ich wäre bei dieser Hitze auch lieber in meinem Landhaus, nur …«
    Richard erkannte mit einem Mal, daß der Zunftmeister die Frage der Konzessionen sehr elegant umgangen hatte. Er musterte Eberding. War es ihm auch aufgefallen? Ob wohl der Angriff seines Sohnes auf Lorenzo de'Medici als Ablenkung geplant gewesen war? Anselm hatte ihm versichert, daß Respekt gegenüber den Älteren zu den wichtigsten Dingen in Italien gehörte, und das machte das Verhalten Colino Ridolfis um so ungewöhnlicher. Richard runzelte die Stirn. Gerissen. Äußerst gerissen.
    Doch dann wurde seine Aufmerksamkeit abgelenkt von einem seltsamen Instrument, das man ihm und allen anderen Gästen hinlegte, während ein gesottener Kapaun aufgetragen wurde. Es war aus Metall, hatte einen Stiel und verzweigte sich am Ende in drei Zinken. Er hob es auf, drehte es hin und her und versuchte, seinen Sinn zu ergründen.
    »Habt Ihr noch nie eine Gabel gesehen, Tedesco?« rief ihm Colino Ridolfi spöttisch zu, und Richard spürte, wie ihm die Hitze in die Wangen stieg. Hastig legte er das Metallding wieder hin. In Bozen und Venedig hatte man sich an deutsche Eßgepflogenheiten gehalten. Doch inzwischen konnte er beobachten, wie die Florentiner das Instrument, Gabel genannt, benutzten, um einzelne Fleischstücke des Kapauns zum Mund zu führen, und in ihm stieg unwillkürlich Bewunderung auf.
    Wie praktisch! Und es ging ganz einfach. Als der Kapaun von kleinen, würzig schmeckenden Würstchen, die als Fegatelli bezeichnet wurden, abgelöst wurde, bediente er sich des ungewohnten Instruments bereits vergnügt und ohne Schwierigkeiten.
    Aber er hatte keineswegs seinen Verdacht vergessen, Ridolfi sei den Fragen nach den Konzessionen absichtlich ausgewichen, und als Eberding nacheinander Vertreter der Wollweber, der Seidenwirker, der Juristen, der Apotheker und der Kürschner besuchte, registrierte er, daß auch diese Herren glänzend zu plaudern verstanden, ohne irgendwelche Verpflichtungen einzugehen.
    Das Oberhaupt der dritthöchsten Zunft, des Bankwesens, war natürlich Lorenzo de'Medici, so daß dieser Besuch verschoben werden mußte. Gleichwohl zeigte Eberding den Augsburgern und Venezianern aus der neugegründeten Faktorei die Stände der Bankiers und Wechsler am Mercato Nuovo, wo über grünbezogene Tische hinweg gefeilscht und unter ohrenbetäubendem Lärm Geld verliehen wurde.
    Zwischen Besuchen und Kontorarbeiten fand Richard die Zeit für den ersten heimlichen Bericht an Jakob, in dem er seine Beobachtungen über die Zünfte und ihre Führer niederschrieb und sogar eine Schilderung der Gabel anfügte, weil er glaubte, daß sich für dieses Instrument in den deutschen Landen vielleicht auch Liebhaber finden ließen. Danach saß er grübelnd vor einer kleinen Schatulle, die aufgeklappt auf dem Tisch stand. Der Inhalt bestand aus einem Sammelsurium von Dingen; bei einigen wußte er selbst nicht genau, warum er sie mitgenommen hatte: ein kleines, schmales Buch, das Sybille ihm geschenkt hatte, Barbaras hölzerne Kette, einige Schachfiguren, eine schwarze Haarlocke und das Messer, mit dem Saviya ihm das Leben gerettet hatte.
    Zuunterst aber lag etwas, das er jetzt hervorholte und lange betrachtete. Ein breiter, goldener Ring, den ihm in Wandlingen Bruder Albert in den Tagen hatte zukommen lassen, als seine Mutter noch nicht gefoltert wurde und er, Albert, noch ihr Anwalt gewesen war. Richard ließ den Ring unbewußt von einer Hand in die andere gleiten, immer wieder.
    »Es ist Zeit«, sagte er plötzlich laut. »Zeit, anzufangen.«
    Die Universität von Florenz lag an der Piazza della Signoria. Es war noch früh am Morgen, und die Sonne vergoldete die Zinnen des nahegelegenen Palazzo, der die Signoria beherbergte. Richard fragte sich schließlich zu dem für die Aufnahme von Studenten verantwortlichen Verwaltungsbeamten durch, erhielt aber eine Abfuhr.
    »Hier studieren? Selbst wenn Ihr nicht einer anderen Zunft bereits verpflichtet wäret … Ihr brauchtet, zumal als Fremder, Empfehlungen hiesiger Bürger und müßtet

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