Die Puppenspieler
enger und steiler werdenden Hügel waren so dicht mit den verschiedenartigsten Obstbäumen bepflanzt, daß er sich wunderte, wie die einzelnen Pflanzen sich behaupten konnten. Obwohl einige der Bäume noch in Blüte standen, trugen andere schon Früchte, und mehr als einmal waren die Reisenden bereits auf einen jener gewitzten Händler gestoßen, die an dieser beliebten Handelsstraße einen grob aus Holz und Tüchern gezimmerten Stand aufgestellt hatten und für ihr frisches Obst unglaubliche Preise verlangten. Erst vor einer Stunde, als die schwüle Hitze nicht nachlassen wollte, hatte Eberding seine ganze Autorität aufbieten müssen, um seine murrenden Gehilfen daran zu hindern, die gesamte Gruppe aufzuhalten, indem sie völlig unangemessene Summen für ein wenig Abkühlung zahlten.
Nun trieb der Regen Menschen zusammen, die Richard sonst in den Hügeln oder einzeln, auf der Straße, gar nicht wahrgenommen hätte. Die niedrigeren Steinmauern rechts und links von der Straße waren mit Dornen und Gestrüpp erhöht worden, wohl, wie Richard vermutete, um den vorbeiziehenden Reisenden den freien Zugang zu den üppigen Pflanzungen zu versperren. Hin und wieder standen allerdings auch am Wegrand Bäume, die denjenigen, die von dem Regen etwas weniger entzückt waren als Eberdings Gehilfen, Gelegenheit zum Unterstand boten.
Ein dicklicher, kleiner Mann, dessen vornehme Kleidung Rückschlüsse auf sein Vermögen zuließ und der krampfhaft die Zügel seines beladenen Maultiers festhielt, fühlte sich offensichtlich bedrängt von zwei alten Frauen, die gerade die Körbe vom Rücken nahmen und sich seelenruhig über seinen Kopf hinweg zankten. Er versuchte ihnen auszuweichen, aber er konnte kaum eine Bewegung machen, ohne wieder im Regen zu stehen. Was die beiden Alten anging, so rückten sie ihm immer näher, die eine von links, die andere von rechts, und hoben laut lamentierend vor seinem Gesicht die Fäuste gegeneinander.
Eigentlich hätte Richard sie gerne noch weiter beobachtet, schon um mehr von dem höchst interessanten Dialekt zu hören, den die beiden Frauen sprachen, aber Eberding machte keine Anstalten, hier zu verweilen, und außerdem hatte Wolfgang Schmitz ihn gerade um eine seiner Lieblingsgeschichten gebeten. Also riß er sich von dem Spektakel am Straßenrand los und begann zu erzählen, was er selbst im Laufe der Jahre von Anselm und einigen anderen erfahren hatte.
»Nachdem eine Verschwörung mit dem Ziel, Lorenzo de'Medici zu ermorden, mißlungen war, befahl der damalige Papst Sixtus der Signoria von Florenz – das ist eine Art Stadtrat, nur mit noch mehr Machtbefugnissen –, Lorenzo zum Verbannten zu erklären. Die Signoria weigerte sich, und Sixtus erließ eine Bulle gegen Lorenzo und befahl der Stadt nochmals, ihn dem Vatikan auszuliefern. Daraufhin erklärten Lorenzo und die Signoria die Bulle öffentlich für ungültig. Der Papst verhängte das Interdikt über Florenz und stellte mit König Ferrante von Neapel Truppen auf, um in der Toskana einzufallen. Ratet, was dann geschah!«
Schmitz überlegte nicht lange. »Ein zweiter Gang nach Canossa?«
»Man sollte es annehmen, nicht wahr?« sagte Richard und schnalzte mit der Zunge, um sein Pferd etwas anzutreiben. »Aber nein, Lorenzo sagte, da von den Feinden der Stadt betont würde, daß nur er der Kriegsgrund wäre, würde er sich um des Friedens willen direkt in ihre Hand begeben – und ritt zu Ferrante von Neapel.«
»Ferrante«, unterbrach Schmitz aufgeregt, »ist das nicht derjenige, der …«
Richard nickte. »Der berüchtigt dafür ist, unangenehme Gesandte umzubringen, doch, das ist er. Es heißt, daß der König von Frankreich aus diesem Grund schon längst keinen Vertreter mehr nach Neapel schickt.«
»Nun«, bemerkte Wolfgang Schmitz, »der Medici lebt offensichtlich noch. Was geschah also?«
»Zwei Monate später kam Lorenzo mitsamt seiner Begleitung und einem Friedensschluß mit Neapel zurück. Der Papst tobte. Denn ohne Neapel fehlte es ihm an Truppen, und er mußte die Exkommunikation gegen Lorenzo wieder aufheben. Aber noch auf seinem Totenbett soll er geschworen haben, Lorenzo de'Medici sei der Antichrist, und kein Papst solle ihm je trauen.«
Schmitz war beeindruckt. »Ich sehe schon«, sagte er, »ich habe etwas verpaßt, als ich mich nicht um florentinische Geschichte gekümmert habe. Immerhin, wir haben noch ein Stück Reise vor uns. Wollt Ihr diesen Mangel beheben?«
So vertrieben sie sich die Zeit, bis sich vor ihnen
Weitere Kostenlose Bücher